Rz. 23

 

Achtung: Kein Ausschluss für bestimmte Deliktsgruppen

Die Möglichkeit zur Strafaussetzung darf keinesfalls für bestimmte Deliktsgruppen generell ausgeschlossen werden (BGH NStZ 1994, 336; NStZ-RR 2005, 38; OLG Karlsruhe NZV 2004, 156).

 

Rz. 24

Im Falle einer im Zustand der Fahruntauglichkeit begangenen fahrlässigen Tötung stellt sich allerdings grundsätzlich die Frage, ob die dann zu verhängende Freiheitsstrafe noch zur Bewährung ausgesetzt werden kann oder ob die Verteidigung der Rechtsordnung deren Vollstreckung gebietet, § 56 Abs. 3 StGB.

 

Rz. 25

Im Allgemeinen gebietet die Rechtsordnung bei so schweren Vergehen auch bei einem Ersttäter die Vollstreckung der Freiheitsstrafe, wenn nicht besondere Ausnahmegründe vorliegen (BGH 24, 64; OLG Rostock BA 2005, 253; OLG Karlsruhe zfs 2008, 349). Das gilt insbesondere bei auf Trunkenheit zurückzuführenden Verkehrsunfällen mit schweren, insbesondere tödlichen Unfallfolgen. Hier wird die Versagung der Strafaussetzung häufig näher liegen als deren Bewilligung. Das gilt vor allem bei herausragend schweren Folgen für die Angehörigen, bei höherer Alkoholisierung und aggressiver Fahrweise, in solchen Fällen gebietet die Verteidigung der Rechtsordnung in aller Regel die Vollstreckung der Freiheitsstrafe (OLG Hamm DAR 2014, 710).

Dennoch verbietet sich eine schematische Beurteilung dahin, dass die Strafaussetzung schlechthin zu versagen sei. Von ausschlaggebender Bedeutung ist vielmehr eine sorgfältige Gewichtung der Umstände des Einzelfalles. So ist z.B. die Überzeugung des Tatrichters, dass aufgrund der Besonderheiten des Falles trotz des erheblichen Unrechts und Schuldgehaltes der Tat die Strafe zur Bewährung ausgesetzt werden könne, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden (BGH NJW 1990, 193). Insbesondere wenn die Tat Ausnahmecharakter hat, lässt dies generalpräventive Erwägungen eher nicht zu (BGH StV 2005, 387).

Freiheitsstrafen von einem bis zwei Jahren können gem. § 56 Abs. 2 StGB bei günstiger Prognose (BGH StV 1995, 20) und dann, wenn nach der Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des Verurteilten besondere Umstände vorliegen, zur Bewährung ausgesetzt werden. Hierzu reichen schon Milderungsgründe aus, die im Vergleich zu durchschnittlichen Milderungsgründen von besonderem Gewicht sind (BGH NZV 1998, 400; OLG Hamm NZV 1993, 317; OLG Frankfurt NStZ-RR 1996, 213; OLG Celle BA 1999, 188), wozu auch schwere Folgen für den Täter oder seine Angehörigen zählen können (OLG Köln VRS 44, 264).

 

Rz. 26

Eine Strafaussetzung ist nicht einmal dann ausgeschlossen, wenn wegen einer Trunkenheitsfahrt mit fahrlässiger Tötung und zwei Vorstrafen eine zweijährige Freiheitsstrafe verhängt wurde (LG Mönchengladbach zfs 1984, 317), zumal Vorstrafen die Bewilligung nicht schlechthin ausschließen (OLG Koblenz VRS 1971, 446).

 

Rz. 27

Für die (günstige) Prognose, von deren Erstellung auch nicht mit der Erwägung abgesehen werden kann, es lägen ohnehin keine besonderen Umstände vor (OLG Hamm BA 2007, 41), reicht es aus, dass die Wahrscheinlichkeit künftigen straffreien Verhaltens diejenige des erneuten Straffälligwerdens übersteigt (BGH NStZ 1997, 594).

 

Rz. 28

Weitere Beispiele für eine günstige Prognose:

Niedriger Alkoholwert (0,59 ‰) sowie besonders strafempfindliches Alter und psychische Belastung (BayObLG NJW 2003, 3498), Verurteilung längere Zeit nach der Tat (OLG Karlsruhe NZV 2004, 156), Mitverschulden (BGH NJW 1990, 193; OLG Koblenz BA 2002, 483) wie z.B. Nichtanlegen des Sicherheitsgurtes (OLG Dresden DAR 1999, 36), Verlust des Lebensgefährten (LG Verden NZV 1998, 219) oder der Arbeitsstelle, starkes Leiden unter den Folgen der Tat und Bemühen um die überlebenden Angehörigen (OLG Karlsruhe NStZ-RR 1996, 198) oder Verlust des Arbeitsplatzes und Stigmatisierung durch Presseberichterstattung (Autobahnraser, LG Karlsruhe NJW 2005, 915).

 

Rz. 29

Auch bei raschem Rückfall ist günstige Prognose nicht gänzlich ausgeschlossen (KG VRS 41, 254), auch nicht bei Vorsatztat (OLG Hamm DAR 1969, 187).

Allerdings ist bei Tatbegehung innerhalb der Bewährungszeit wegen einschlägiger Verurteilung eine günstige Prognose nur bei Vorliegen ganz besonderer Gründe möglich (OLG Stuttgart DAR 1971, 270; OLG München DAR 2008, 533).

Hat ein Angeklagter zwischen Begehung und jetzt abzuurteilender Tat erstmals eine Freiheitsstrafe verbüßt, muss das Gericht sich auch bei einem Wiederholungstäter damit befassen, welche Wirkung die Strafverbüßung auf ihn hatte (OLG Karlsruhe zfs 2005, 410).

 

Rz. 30

 

Achtung: Notwendige Urteilsfeststellungen

Will das Gericht die Strafaussetzung verwehren, muss es in ausreichender und erschöpfender Weise darlegen, warum dem Angeklagten keine günstige Sozialprognose gestellt werden kann. Bei der Abwägung muss es sowohl das Vorleben als auch die Lebensverhältnisse wie Familie, Beruf und soziale Einordnung (OLG Köln NJW 2001, 3491), aber auch besonders einschneidende Tatfolgen (wie z.B. Verlust des Arbeitsplatzes und Stigmatisierung (LG Karlsruhe NZV 2005, 274) berücksichtigen.

Schließlich kann ...

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