A. Begriffe und gesetzliche Grundlagen in den Landesstraßengesetzen

I. Widmung – Gemeingebrauch – kommunikativer – Gemeingebrauch – Grundrechte

 

Rz. 1

Die Straße ist ein "Vielzweckinstitut".[1] Zentral und mit hohem Stellenwert versehen, ist der Zweck, dem fließenden Verkehr zu dienen. Daneben hat sich in den letzten Jahren die Straße immer mehr auch als öffentlicher Raum der Kommunikation und Lebensgestaltung entwickelt. Versammlungen, Wahlkampf, Meinungsäußerungen, aber auch Kunst, finden her neben und im Straßenverkehr statt. Auch Gewerbebetriebe machen die Straße für ihre Zwecke nutzbar.

 

Rz. 2

Trotz des hohen Stellenwerts der Grundrechte insbesondere aus Art. 8 Abs. 1 GG (Versammlungsfreiheit), Art. 5 Abs. 1 GG (Meinungsfreiheit), Art. 5 Abs. 3 GG (Kunstfreiheit), Art. 4 Abs. 1 und 2 GG (Glaubensfreiheit) aber auch die hervorragende Bedeutung von Wahlen in einem demokratischen Staat (Art. 28 Abs. 1, 38 Abs. 1 GG), hat die Straße als öffentliche Einrichtung aber nicht allein diesem Anspruch zu genügen. Vor allem hat sie dem allgemeinen Verkehrsbedürfnis in seinen unterschiedlichen Ausgestaltungen zu dienen, zumal auch dieses grundrechtsorientiert ist. Gerade auch vor dem Hintergrund des damit verbundenen Gefahrenpotentials, muss ein Ausgleich zwischen der Vielzahl betroffener Interessen geschaffen werden. In dieser "Gemengelage" sich zum Teil widerstreitender Interessen (Verkehrsfluss einerseits – Kommunikation im Straßenbereich andererseits) greift das System "Erlaubnisfreiheit bei Nutzung im Rahmen des Gemeingebrauchs – Erlaubnis im Falle einer Sondernutzung". Letztere hat sich dann aber auch an den dahinter stehenden Grundrechten zu orientieren.

 

Rz. 3

Der Gebrauch der öffentlichen Straßen ist jedermann im Rahmen der Widmung und der Straßenverkehrsvorschriften innerhalb der verkehrsüblichen Grenzen gestattet (Legaldefinition des Gemeingebrauchs; vgl. § 14 Abs. 1 S. 1 SStrG). Die Straßengesetze der Länder enthalten damit Legaldefinitionen für den Gemeingebrauch, die durch das FStrG (§§ 7, 8 FStrG) beeinflusst werden. Der landesrechtlich geregelte Gemeingebrauch wird vom Bundesrecht insofern erfasst, als er in seinem Kernbereich der grundrechtlichen Gewährleistung der Art. 2 Abs. 1, 3 Abs. 1 GG und hinsichtlich der Rechte der Anlieger des Grundrechtsschutzes durch Art. 14 Abs. 1 GG unterliegt.[2] Auch der auf Art. 14 Abs. 1 GG zurückzuführende sog. gesteigerte Gemeingebrauch der Anlieger (siehe dazu § 54 Rdn 13 ff.) ist – mit Blick auf das insofern gesteigerte Bedürfnis des Anliegers – grundsätzlich zulassungsfrei.[3]

 

Rz. 4

Einem Unternehmer kann ein Anspruch auf die Benutzung eines Gemeindeweges zustehen, wenn dies notwendig ist, um das Vorhabengrundstück überhaupt erreichen zu können. Das VG Mainz hat entschieden, dass ein Unternehmen zur Errichtung einer Windenergieanlage die Wirtschaftswege einer Gemeinde mit Schwertransportern befahren und dementsprechend ausbauen darf.[4] Danach besteht ein Anspruch auf die Benutzung der Wegeparzellen der Kommune. Die Genehmigung der im Außenbereich privilegierten Anlage begründe eine besondere, aus Art. 14 Abs. 1 GG abgeleitete Stellung des Betreibers, die das Eigentum der Kommune an ihren Wegen beschränke. Zur Errichtung der Anlage sei die Nutzung der in Rede stehenden Fahrwege erforderlich, um das Vorhabengrundstück überhaupt erreichen zu können. Aufgrund der Notwendigkeit des Einsatzes von Schwertransportern müssten die Wege auch entsprechend präpariert werden. Hierfür habe der Anlagenbetreiber ebenso wie für die Unterhaltung der Grundstücke die Kosten zu tragen, wozu der Antragsteller auch bereit sei. Dieser habe insoweit ein zumutbares Vertragsangebot unterbreitet, das die Stadt in der Vergangenheit hinsichtlich eines anderen Standorts angenommen habe. Die vorläufige Gestattung der Nutzung sei auch dringlich, weil die Fertigstellung der Windenergieanlage erst im Jahr 2017 zur Verringerung der erzielbaren Netzeinspeisevergütung mit weiteren finanziellen Lasten bei dem Betreiber führe. Demgegenüber erfolge die Inanspruchnahme der Wege nur vorübergehend – zur Errichtung der Anlage – und lasse auch keine bleibenden oder unzumutbaren Folgen auf Seiten der Kommune erwarten. Der Antragsteller habe sich nämlich bereit erklärt, den Ausbau der Wege auf Wunsch der Stadt wieder rückgängig zu machen.

 

Rz. 5

Ist eine Straße dem öffentlichen Verkehr gewidmet, sind nach Straßenverkehrsrecht zulässige Vorgänge zugleich eine im Sinne des Straßenrechts zulässige Ausübung des Gemeingebrauchs und demzufolge keine erlaubnispflichtige Sondernutzung. Zwar wird der Gemeingebrauch durch das landesrechtliche Straßen- und Wegerecht geregelt. Allerdings wird in einem verkehrsbezogenen Zusammenhang die Ausübung des Gemeingebrauchs ausschließlich vom bundesrechtlichen Straßenverkehrsrecht bestimmt.

 

Rz. 6

Die Regelung der "Ausübung des Gemeingebrauchs" durch das Straßenverkehrsrecht ist die Bestimmung der vom zugelassenen Gemeingebrauch umfassten verkehrsbezogenen Verhaltensweisen der jeweiligen Verkehrsart durch den einzelnen Verkehrsteilnehmer in der konkreten Verkehrssituation sowie die Einschränkung oder Untersagung dieser Ausübung mit ...

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