Rz. 32

Neben der zuvor beschriebenen förmlichen Widmung (vgl. z.B. §§ 2 Abs. 1, 6 Abs. 1 SStrG; §§ 2 Abs. 1, 5 StrG BW) kann einem Weg aber auch auf andere Weise Widmung zugeschrieben werden.

Denkbar ist auch eine konkludente Widmung/Widmungsfiktion. Werden im Rahmen eines aufgrund anderer gesetzlicher Vorschriften durchgeführten förmlichen Verfahrens der Bau oder die Änderung einer Straße unanfechtbar angeordnet, so gilt die Straße mit der Verkehrsübergabe als gewidmet (vgl. z.B. § 6 Abs. 6 SStrG, § 5 Abs. 6 StrG BW, § 6 Abs. 4 Schlesw-Holst. StrWG). Förmliche Verfahren in diesem Sinne sind vor allem straßenrechtliche Planfeststellungsverfahren, das Flurbereinigungsverfahren sowie Planfeststellungsverfahren nach Eisenbahn-, Personenbeförderungs-, Luftverkehrs-, Bundeswasserstraßen- und Wasserrecht.[48]

 

Rz. 33

Ob zu diesen "Verfahren" auch das Bebauungsplanverfahren gehört, ist umstritten. Nach einer Ansicht[49] ist das Bebauungsplanverfahren kein förmliches Verfahren in diesem Sinne. A.A. sind Kodal,[50]Lorenz/Will.[51] Zu Recht weisen sie darauf hin, dass auch in diesem Verfahren, soweit es um die Ausweisung von öffentlichen Straßen geht, in einem gesetzlich vorgeschriebenen, in seinem Ablauf detailliert geregelten und an bestimmte Formen gebundenen, also letztendlich in einem förmlichen Verfahren, die Entscheidung über deren Überlassung zur allgemeinen Nutzung getroffen wird.

Auch das BVerwG[52] hält es im Rahmen einer Planung nach § 9 Abs. 1 Nr. 11 BauGB für rechtlich zulässig, dass das jeweilige Landesrecht eine förmliche Widmung dann als entbehrlich ansieht, wenn die Straße dem öffentlichen Verkehr überlassen wird, nachdem sie aufgrund eines förmlichen Verfahrens hergestellt wurde (im Fall: § 6 Abs. 4 Schlesw-Holst. StrWG). Insofern anerkennt das BVerwG das Bebauungsplanverfahren als Verfahren im vorbeschriebenen Sinn.

 

Rz. 34

Wenn weder ein förmlicher Widmungsakt (vgl. z.B. § 6 Abs. 1 SStrG) noch die Widmungsfiktion greift, kann einem Weg dennoch über die Übergangs- bzw. Überleitungsvorschriften die Eigenschaft einer öffentlichen Straße zukommen. Gemeint sind Regelungen nach denen "alle Straßen, Wege, Plätze, die bisher dem öffentlichen Verkehr zu dienen bestimmt waren", vom Zeitpunkt des Inkrafttretens des Straßengesetzes an als dem öffentlichen Verkehr gewidmet gelten (vgl. z.B. § 63 SStrG, § 57 Abs. 1 a.F. StrG BW). Zu prüfen ist im jeweiligen Einzelfall, ob die fragliche Fläche zu diesem Zeitpunkt dem öffentlichen Verkehr zu dienen bestimmt war. Ob dies der Fall ist, ist nach den tatsächlichen Umständen des Einzelfalles zu ermitteln.

 

Rz. 35

Die Eigenschaft einer öffentlichen Straße kann "einem alten Weg" auch nach den Grundsätzen der Widmung kraft unvordenklicher Verjährung zukommen. Nach diesen Grundsätzen "kann bei alten Wegen, die seit Menschengedenken oder doch seit langer Zeit einem in der Meinung der Rechtmäßigkeit geübten und widerspruchslos geduldeten öffentlichen Verkehr gedient haben, die Annahme ihrer Öffentlichkeit auf die seit alter Zeit geübte Benutzung für den öffentlichen Verkehr gestützt werden, wenn dieser im ganzen genommen frei und unbehindert unter Umständen stattgefunden hat, die auf die allgemeine Überzeugung, dass der Weg kraft öffentlichen Rechts dem allgemeinen Verkehr offen stehe und damit auf die erfolgte Widmung seitens aller Rechtsbeteiligten schließen lassen".[53]

 

Rz. 36

Die Straße muss also seit Menschengedenken in einem gebrauchsfähigen Zustand tatsächlich vorhanden und im Bewusstsein der Rechtsausübung, insbesondere ohne Widerspruch des Grundstückseigentümers, allgemein benutzt worden sein.[54] Eine bloße Duldung des Eigentümers zur Benutzung reicht nicht aus.[55] Erkenntnismittel sind neben den – immer schwieriger zu erlangenden – Zeugen, vor allem Urkunden, insbesondere alte gemeindliche Gemarkungsunterlagen.

[48] Kodal, Straßenrecht, 6. Aufl., Kap. 7 Rn 19.32; Lorenz/Will, Straßengesetz BW, 2. Aufl. 2005, § 5 Rn 69.
[49] OVG Saarland, Beschl. v. 24.10.1986 – 2 R 278/86; OVG Lüneburg DVBl 1971, 792.
[50] Kodal, Straßenrecht, 6. Aufl., Kap. 7 Rn 19, 33.
[51] Straßengesetz BW, 2. Aufl. 2005, § 5 Rn 70, m.w.N.
[52] NVwZ 1994, 275, 278.
[53] Kodal, Straßenrecht, 6. Aufl., Kap. 4 Rn 5 m.w.N.; OVG Münster, DÖV 1961, 34; BGH DÖV 1962, 906.
[54] VGH BW VBlBW 1992, 144; VBlBW 1993, 183.
[55] Lorenz/Will, Straßengesetz BW, 2. Aufl. 2005, § 2 Rn 28.

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