Rz. 55

Die Frage der Schuldfähigkeit bzw. die Aufhebung der Schuldfähigkeit gem. § 20 StGB oder die Einschränkung der Schuldfähigkeit gem. § 21 StGB betreffen im Bereich des Straßenverkehrsrechts regelmäßig die Fälle der Alkoholisierung und des Drogenkonsums. Bei BAK-Werten von 3 ‰ und mehr kann ohne Hinzuziehung eines medizinischen Sachverständigen über die Frage der Schuldfähigkeit nicht durch das Gericht allein entschieden werden.[98]

Liegen BAK-Werte ab 2 ‰ vor, muss der Tatrichter das Vorliegen des § 21 StGB prüfen.[99] Liegen erhebliche alkoholbedingte Ausfallerscheinungen vor, ist § 21 StGB auch bei einem unter 2 ‰ liegenden Wert zu prüfen.[100]

 

Rz. 56

Die Schuldform des Vorsatzes erfordert auch im Straßenverkehrsrecht, dass sich der Vorsatz als Schuldform auf alle Tatbestandsmerkmale des objektiven Tatbestandes erstreckt.[101]

Bei Verkehrsordnungswidrigkeiten sind die in dem Bußgeldkatalog gem. § 1 Abs. 2 S. 1 BKatV (Bußgeldkatalog-Verordnung) bestimmten Beträge Regelsätze. Entsprechend dem Abschnitt I. des Bußgeldkatalogs beziehen sich diese Regelsätze auf eine fahrlässige Begehungsweise und auf gewöhnliche Tatumstände.

Einige Tatrichter gehen in Verkehrsordnungswidrigkeiten, z.B. bei einer hohen Geschwindigkeitsüberschreitung, von einer vorsätzlichen Begehungsweise aus. In der Regel ahnden die Tatrichter bei einer vorsätzlichen Begehungsweise die Geschwindigkeitsüberschreitung mit einer höheren Geldbuße, § 3 Abs. 4a BKatV sieht insoweit eine Verdoppelung des Regelsatzes vor.

Einige Tatrichter weisen bereits in der Ladung zur mündlichen Verhandlung einer Verkehrsordnungswidrigkeit auf diese Vorsatzproblematik und die entsprechende Möglichkeit der Verdoppelung der Geldbuße hin und regen an, deswegen den Einspruch zurückzunehmen. Aus Verteidigersicht ist hier Vorsicht geboten, da nur durch eine mündliche Verhandlung mit einer erforderlichen Beweisaufnahme die gesamten Umstände der Tat geklärt werden können, um so die Frage einer Fahrlässigkeits- oder Vorsatztat abschließend zu klären.

Vorsatz wurde u.a. bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung von 50 km/h bei einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h angenommen.[102] Vorsatz wurde dagegen nicht angenommen bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung von 34 km/h bei einer erlaubten Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h.[103]

[98] Zur verminderten Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) speziell unter Berücksichtigung der Blutalkoholkonzentration, vgl. BGH NStZ 1998, 295; BGH NStZ 1998, 457, 458; BGH NJW 1998, 3427.
[99] BGH NJW 1997, 2460.
[101] Vgl. Janiszewski, Verkehrsstrafrecht, Rn 84.
[102] Vgl. BGH NZV 1997, 525.
[103] Vgl. OLG Hamm VA 2004, 174.

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