Rz. 136

Die Dashcam stellt eine optisch-elektronische Einrichtung dar. Zwar wird teilweise vertreten, dass als optisch-elektronische Einrichtungen in § 6b BDSG nur Einrichtungen zu verstehen seien, die fest angebracht sind. Mobile Kameras habe der Gesetzgeber nicht regeln wollen.[282] Ein solches Verständnis der Regelung findet im Wortlaut aber keine Stütze.

 

Rz. 137

Aus einem Verstoß eines Verkehrsteilnehmers beim Betrieb einer Dashcam gegen das datenschutzrechtliche Verbot gem. § 6b BDSG, nach dem die Beobachtung öffentlich zugänglicher Räume mit optisch-elektronischen Einrichtungen nur in engen Grenzen zulässig ist, folgt nicht zwingend ein Beweisverwertungsverbot im Bußgeldverfahren.

 

Rz. 138

§ 6b BDSG, insbesondere dessen Abs. 3 S. 2, enthält kein gesetzlich angeordnetes Beweisverwertungsverbot für das Straf- und Bußgeldverfahren.[283]

 

Rz. 139

Es besteht kein Rechtssatz dahingehend, dass es im Straf- und Bußgeldverfahren stets untersagt wäre, von Privaten erlangte Beweismittel zu verwerten, sofern diese unter Verstoß gegen Gesetze gewonnen wurden.[284] Selbst Beweismittel, die von Privaten in strafbewehrter Weise erlangt wurden, sind – verfassungsrechtlich unbedenklich – grundsätzlich verwertbar und unterliegen nicht zwingend per se einem Beweisverwertungsverbot.[285]

 

Rz. 140

Ob ein (möglicherweise) unter Verstoß gegen § 6b BDSG erlangtes Beweismittel zulasten eines Betroffenen in einem Bußgeldverfahren verwertet werden darf, ist im Einzelfall insbesondere nach dem Gewicht des Eingriffs sowie der Bedeutung der betroffenen Rechtsgüter unter Abwägung der widerstreitenden Interessen zu entscheiden.

 

Rz. 141

Der Tatrichter ist grundsätzlich nicht gehindert, eine Videoaufzeichnung, die keine Einblicke in die engere Privatsphäre gewährt, sondern lediglich Verkehrsvorgänge dokumentiert und eine mittelbare Identifizierung des Betroffenen über das Kennzeichen seines Fahrzeugs zulässt, zu verwerten, wenn dies zur Verfolgung einer besonders verkehrssicherheitsbeeinträchtigenden Ordnungswidrigkeit erforderlich ist.

[282] AG Nienburg, Urt. v. 20.1.2015 – 4 Ds 520 Js 39473/14, DAR 2015, 280 ff.; zweifelnd: LG Landshut, Beschl. v. 1.12.2015 – 12 S 2603/15, juris; AG Nürnberg, Urt. v. 8.5.2015 – 18 C 8938/14, DAR 2015, 472 ff.
[283] OLG Stuttgart, Beschl. v. 4.5.2016 – 4 Ss 543/15, DAR 2016, 408: Ob ein (hier möglicherweise) auf rechtswidrige Weise erlangtes Beweismittel zulasten des Betroffenen verwertet werden darf, ist nach der herrschenden und vom BVerfG gebilligten Rechtsprechung im Einzelfall insbesondere nach Art des Verbotes und Gewicht des Verfahrensverstoßes sowie der Bedeutung der betroffenen Rechtsgüter unter Abwägung der widerstreitenden Interessen zu entscheiden, wenn es – wie hier – an einer ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung eines Verwertungsverbotes fehlt. Von Verfassungs wegen besteht kein Rechtssatz des Inhalts, dass im Fall einer rechtsfehlerhaften Beweiserhebung die Verwertung der gewonnenen Beweise stets unzulässig wäre (BVerfG, Beschl. v. 20.5.2011 – 2 BvR 2072/10, NJW 2011, 2783 Rn 12). Auch wenn die StPO nicht auf die Wahrheitserforschung um "jeden Preis" gerichtet ist, schränkt die Annahme eines Verwertungsverbotes ein wesentliches Prinzip des Strafrechts ein, nämlich den Grundsatz, dass das Gericht die Wahrheit zu erforschen und dazu die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken hat, die von Bedeutung sind (vgl. BGH, Urt. v. 11.11.1998 – 3 StR 181/98, BGHSt 44, 243, 249; v. 18.4.2007 – 5 StR 546/06, BGHSt 51, 285 Rn 20). Ein Beweisverwertungsverbot ist ohne ausdrückliche gesetzliche Anordnung daher nur ausnahmsweise aus übergeordneten wichtigen Gesichtspunkten im Einzelfall anzunehmen, wenn einzelne Rechtsgüter durch Eingriffe fern jeder Rechtsgrundlage so massiv beeinträchtigt werden, dass dadurch das Ermittlungsverfahren als ein nach rechtsstaatlichen Grundsätzen geordnetes Verfahren nachhaltig geschädigt wird (vgl. BGH, Urt. v. 18.4.2007 – 5 StR 546/06, BGHSt 51, 285 Rn 20). Insoweit wird ein Beweisverwertungsverbot dann angenommen, wenn die zur Fehlerhaftigkeit der Ermittlungsmaßnahmen führenden Verfahrensverstöße derart schwerwiegend waren oder bewusst oder willkürlich begangen wurden bzw. die grundrechtlichen Sicherungen planmäßig außer Acht gelassen worden sind (vgl. BVerfG, Beschl. v. 20.5.2011 – 2 BvR 2072/10, NJW 2011, 2783 Rn 14). Diese Grundsätze sind über § 46 OWiG auch im Bußgeldverfahren heranzuziehen (BVerfG, Beschl. v. 20.5. 2011 – 2 BvR 2072/10, NJW 2011, 2783 Rn 13; Lampe in KK-OWiG, 4. Aufl., § 46 Rn 18a).
[284] BGH, Urt. v. 12.4.1986 – 3 StR 453/88, BGHSt 36, 167, 173.
[285] Vgl. zum Thema "Steuer-CDs": BVerfG, Beschl. v. 9.11.2010 – 2 BvR 2101/09, NStZ 2011, 103 Rn 58; Verfassungsgerichtshof RP NJW 2014, 1434 ff.

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