Rz. 526

Nach § 115 Abs. 2 S. 3 VVG, § 3 Nr. 3 S. 3 PflVG a.F. endet die Hemmung der Verjährung zu dem Zeitpunkt, zu dem die Entscheidung des Versicherers dem Anspruchsteller in Textform zugeht. Diese Regelung entspricht § 12 Abs. 2 VVG a.F.[488]

[488] OLG München v. 22.1.1991 – 5 U 3964/90 – r+s 1992, 5 = VersR 1992, 606 (BGH hat die Revision nicht angenommen, Beschl. v. 15.10.1991 – VI ZR 108/91).

(1) Schriftliche Entscheidung

 

Rz. 527

Es besteht ein grundsätzliches Schutzbedürfnis des Geschädigten an einer schriftlichen Entscheidung. Das Erfordernis der Schriftlichkeit (Textform, § 126b BGB) in § 115 Abs. 2 S. 3 VVG, § 3 Nr. 3 S. 3 PflVG a.F. beruht auf der Notwendigkeit, im Interesse der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit die Entscheidung des Versicherers zu verdeutlichen.[489] Ein strenger Maßstab ist anzulegen.[490]

[489] BGH v. 28.1.1992 – VI ZR 114/91 – DAR 1992, 175 = MDR 1992, 1038 = NJW-RR 1992, 606 = NZV 1992, 231 = r+s 1992, 186 = VersR 1992, 604 = VRS 83, 131 = zfs 1992, 162.
[490] BGH v. 30.6.1998 – VI ZR 260/97 – DAR 1998, 387 = NZV 1998, 457 = r+s 1998, 412 = SP 1998, 379 = VersR 1998, 1295 = WI 1998, 161 = zfs 1999, 9; BGH v. 18.2.1997 – VI ZR 356/95 – DAR 1997, 246 = NJW 1997, 2521 = r+s 1997, 229 = VersR 1997, 637 = WI 1997, 167.

(a) Entscheidung des Versicherers

 

Rz. 528

Die Hemmung endet mit einer positiven oder negativen schriftlichen Erklärung des Versicherers, aus der der Geschädigte erkennt, ob die angemeldeten Ansprüche befriedigt werden oder nicht. Eine Ablehnung ist nicht erforderlich.[491]

 

Rz. 529

Grundsätzlich kann nur der Versicherer selbst durch seine Entscheidung nach § 115 Abs. 2 S. 3 VVG, § 3 Nr. 3 S. 3 PflVG a.F. die Verjährung wieder in Gang setzen, während der Geschädigte von sich aus die Hemmung nicht beenden kann.[492]

 

Rz. 530

Die von einem vollmachtlosen Vertreter des Versicherers abgegebene Erklärung kann der Versicherer nicht mit Ex-tunc-Wirkung genehmigen;[493] liegt aber eine Duldungsvollmacht vor, wirkt die dem Versicherer zurechnende Erklärung des Vertreters faktisch ex-tunc. Darlegungs- und beweisbelastet für eine wirksame Vollmacht ist derjenige, der sich auf ein gültiges Vertretergeschäft beruft.[494]

 

Rz. 531

Auch ein Schreiben des Anspruchsberechtigten (bzw. seines Vertreters), welches die mündliche Ablehnung des Haftpflichtversicherers bestätigt, steht der nach § 115 Abs. 2 S. 3 VVG, § 3 Nr. 3 S. 3 PflVG a.F. erforderlichen schriftlichen Entscheidung des Versicherers nicht gleich.[495]

[491] BGH v. 30.6.1998 – VI ZR 260/97 – NZV 1998, 457 = VersR 1998, 1295.
[492] BGH v. 18.2.1997 – VI ZR 356/95 – DAR 1997, 246 = NJW 1997, 2521 = r+s 1997, 229 = VersR 1997, 637 = WI 1997, 167.
[493] OLG Rostock v. 9.8.2001 – 1 U 219/99 – DAR 2002, 128 = VersR 2003, 363 = zfs 2001, 548.
[494] OLG Rostock v. 9.8.2001 – 1 U 219/99 – DAR 2002, 128 = VersR 2003, 363 = zfs 2001, 548.
[495] BGH v. 18.2.1997 – VI ZR 356/95 – DAR 1997, 246 = NJW 1997, 2521 = r+s 1997, 229 = VersR 1997, 637 = WI 1997, 167.

(b) Untätigkeit

 

Rz. 532

Ein schriftlicher Bescheid wird nicht durch Untätigkeit des Anspruchsberechtigten über einen längeren Zeitraum ("Einschlafen") überflüssig.[496] Die bloße Untätigkeit des Anspruchstellers während eines längeren Zeitraumes berechtigt keineswegs zu der Annahme, der schriftliche Bescheid sei überflüssig und sinnlos, mit ihm könne der Anspruchsteller billigerweise nicht mehr rechnen.[497]

 

Rz. 533

Allerdings hindert § 115 Abs. 2 S. 3 VVG, § 3 Nr. 3 S. 3 PflVG a.F. nicht, das Verhalten eines Geschädigten, der sich auf das Fehlen einer schriftlichen Entscheidung beruft, an Treu und Glauben (§ 242 BGB) zu messen. Der Schutzgedanke, der § 115 Abs. 2 3 VVG, § 3 Nr. 3 S. 3 PflVG a.F. zugrunde liegt, verliert dann seine Bedeutung, wenn für den Geschädigten kein Schutzbedürfnis mehr besteht (z.B. wenn die Erteilung eines schriftlichen Bescheids durch den Versicherer keinen vernünftigen Sinn mehr hätte und nur eine reine Förmelei wäre, weil der Geschädigte die von ihm zunächst angemeldeten Ansprüche inzwischen offensichtlich nicht mehr weiterverfolgt und daher auf einen endgültig ablehnenden Bescheid des Versicherers gar nicht mehr wartet).[498]

[496] BGH v. 15.11.1977 – VI ZR 250/76 – VersR 1978, 93.
[497] BGH v. 14.3.2017 – VI ZR 226/16 – MDR 2017, 882 = NJW 2017, 2271 (Anm. Voit) = r+s 2017, 387 = VersR 2017, 816 = WM 2017, 1127 (Vorinstanz OLG Celle v. 11.5.2016 – 14 U 168/15); BGH v. 14.12.1976 – VI ZR 1/76 – NJW 1977, 674, 675 (zu § 3 Nr. 3 S. 3 PflVG a.F.).
[498] BGH v. 17.1.1978 – VI ZR 116/76 – MDR 1978, 480 = VersR 1978, 423 (Auch das Verhalten des Geschädigten, der sich auf das Fehlen einer schriftlichen Entscheidung des Versicherers beruft, ist an den Grundsatz von Treu und Glauben zu messen und kann dann dazu führen, ihm die Berufung auf eine Fortdauer der Verjährungshemmung zu verwehren), BGH v. 14.12.1976 – VI ZR 1/76 – MDR 1977, 485 = NJW 1977, 674 = VersR 1977, 335 (Der Schutzgedanke des § 3 Nr. 3 S. 3 PflVG a.F., nämlich wirksamere Gestaltung des Schutzes der Verkehrsopfer, verliert dann seine Berechtigung, wenn für den Geschädigten keinerlei Schutzb...

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