Rz. 843

Jedenfalls für Altfälle vor dem 15.12.2004 kann eine Sekundärhaftung des Anwalts bestehen. Zur früheren Regelung in § 51b BRAO a.F. nahm die Rechtsprechung an, dass ein Sekundäranspruch begründet wird, wenn der Anwalt bei der weiteren Wahrnehmung des Mandats die Möglichkeit einer Regresshaftung erkennt (oder habe erkennen müssen) und es gleichwohl unterlassen hat, den Mandanten auf den Regressanspruch und dessen drohende Verjährung hinzuweisen.

 

Rz. 844

Auch wenn der Primäranspruch gegen den Anwalt verjährt ist, kann doch eine Schadenersatzpflicht (unter dem Aspekt des Sekundäranspruches) bestehen, wenn der Anwalt es schuldhaft unterlassen hat, seinen Mandanten rechtzeitig auf die Möglichkeit der Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegen ihn (d.h. seinen Anwalt) hinzuweisen.[811]

 

Rz. 845

Aus dem Aspekt der Sekundärhaftung ist ein Anwalt dann gehindert, die Verjährungseinrede wegen der Primärhaftung zu erheben. Ein Anwalt ist grundsätzlich verpflichtet, auf die gegen ihn bestehenden Regressansprüche sowie deren (kurze) Verjährung hinzuweisen. Unterlässt er diesen Hinweis, macht er sich erneut mit der Wirkung schadenersatzpflichtig, dass er sich auf den Verjährungseinwand nicht berufen darf:[812] Dieser Anspruch aus der Sekundärhaftung ist also nicht auf Geldzahlung ausgerichtet.[813] Er ermöglicht dem Geschädigten lediglich die Durchsetzung des ohne ihn verjährten Schadenersatzanspruches. Diese – sekundäre – Hinweisverpflichtung des Anwaltes entsteht, wenn er nach seinem Fehler und vor Eintritt der Primärverjährung bis zum Ende seines Mandates begründeten Anlass hatte zu prüfen, ob er durch eine Pflichtverletzung den Mandanten geschädigt hat, und wenn ein sorgfältiger Anwalt dabei seine mögliche Haftung erkennen kann.[814]

 

Rz. 846

Der sog. "sekundäre" Schadenersatzanspruch gegen einen Anwalt kann nur durch eine neue schuldhafte Pflichtverletzung entstehen. Die den Regressfall auslösende Pflichtwidrigkeit kann daher nicht gleichzeitig die Nichterfüllung einer Pflicht zur Aufdeckung des Primäranspruches darstellen. Der Sekundäranspruch verjährte seinerseits nach § 51b, 1. Alt. BRAO a.F. 3 Jahre nach der Verjährung des Primäranspruches, wenn in diesem Zeitpunkt das Mandant noch fortbesteht.

 

Rz. 847

Ein Anspruch wegen Unterbleibens eines Hinweises auf den Sekundäranspruch und dessen Verjährung besteht nicht.[815] Bei Ablauf der Verjährung des Sekundäranspruchs entsteht kein Tertiäranspruch.

 

Rz. 848

Die Pflicht zur Belehrung über die Verjährung entfällt, wenn der Mandant rechtzeitig vor Ablauf der Verjährungsfrist im Hinblick auf die Regressfrage anwaltlich beraten wird[816] oder auf sonstige Weise über den Schadenersatzanspruch und dessen Verjährung sichere Kenntnis erhält.[817] Allerdings darf auch ein rechtskundiger Mandant darauf vertrauen, dass sein Anwalt seine vertraglichen Pflichten korrekt erfüllt, ohne dass eine Kontrolle notwendig ist.[818]

[811] BGH v. 1.2.2007 – IX ZR 180/04 – MDR 2007, 835 = NJW-RR 2007, 1358 = VersR 2007, 1383 = WM 2007, 801; BGH v. 15.4.1999 – IX ZR 328/97 – BB 1999, 1135 = DB 1999, 1263 = MDR 1999, 1095 = NJW 1999, 2183 = VersR 2000, 848 = WM 1999, 1330.
[812] BGH v. 9.12.1999 – IX ZR 129/99 – AnwBl 2000, 761 = BB 2000, 378 = DB 2000, 1660 = MDR 2000, 481 = NJW 2000, 1263 = VersR 2001, 330 = WM 2000, 959; BGH v. 23.4.1998 – III ZR 7/97 – MDR 1998, 856 = NJW 1998, 2274 = VersR 1998, 1291 = WM 1998, 1493; BGH v. 27.1.1994 – IX ZR 195/93 – AnwBl 1994, 243 = DB 1994, 1130 = MDR 1994, 621 = NJW 1994, 1405 = VersR 1994, 811; BGH v. 23.5.1985 – IX ZR 102/84 – BGHZ 94, 380 = BB 1985, 1754 = DB 1985, 2673 = MDR 1985, 843 = NJW 1985, 2250 = VersR 1985, 860; BGH v. 1.2.1977 – VI ZR 43/75 – MDR 1977, 657 = VersR 1977, 617.
[813] BGH v. 2.7.1996 – IX ZR 19/96 – NJW 1996, 2797 = VersR 1997, 357.
[814] BGH v. 9.12.1999 – IX ZR 129/99 – AnwBl 2000, 761 = BB 2000, 378 = DB 2000, 1660 = MDR 2000, 481 = NJW 2000, 1263 = VersR 2001, 330 = WM 2000, 959; BGH v. 16.11.1995 – IX 148/94 – VersR 1996, 852 = WM 1996, 540; BGH v. 14.11.1991 – IX ZR 31/91 – BB 1992, 170 = MDR 1992, 193 = NJW 1992, 836 = WM 1992, 579; BGH v. 23.5.1985 – IX ZR 102/84 – BGHZ 94, 380 = BB 1985, 1754 = DB 1985, 2673 = MDR 1985, 843 = NJW 1985, 2250 = VersR 1985, 860.
[815] BGH v. 23.5.1985 – IX ZR 102/84 – BGHZ 94, 380 = BB 1985, 1754 = DB 1985, 2673 = MDR 1985, 843 = NJW 1985, 2250 = VersR 1985, 860.
[816] BGH v. 21.6.2001 – IX ZR 73/00 – DB 2001, 2649; BGH v. 9.12.1999 – IX ZR 129/99 – AnwBl 2000, 761 = BB 2000, 378 = DB 2000, 1660 = MDR 2000, 481 = NJW 2000, 1263 = VersR 2001, 330 = WM 2000, 959; BGH v. 27.1.1994 – IX ZR 195/93 – AnwBl 1994, 243 = DB 1994, 1130 = MDR 1994, 621 = NJW 1994, 1405 = VersR 1994, 811; BGH v. 26.2.1985 – VI ZR 144/83 – MDR 1985, 565 = NJW 1985, 1151 = r+s 1985, 151 (nur Ls.) = VersR 1985, 661; BGH v. 14.11.1991 – IX ZR 31/91 – BB 1992, 170 = MDR 1992, 193 = NJW 1992, 836 = WM 1992, 579. OLG Köln v. 5.7.1999 – 16 U 22/99 – VersR 2001, 718 (BGH hat Revision nicht angenommen, Beschl. v. 5.10.2000 – IX ZR 27...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge