Rz. 59

Das Gericht hat die Möglichkeit nach §111a StPO, die Fahrerlaubnis vorläufig zu entziehen. Die Vorschrift lautet wie folgt:

 

§111a StPO

(1) Sind dringende Gründe für die Annahme vorhanden, daß die Fahrerlaubnis entzogen werden wird (§69 des Strafgesetzbuches), so kann der Richter dem Beschuldigten durch Beschluß die Fahrerlaubnis vorläufig entziehen. Von der vorläufigen Entziehung können bestimmte Arten von Kraftfahrzeugen ausgenommen werden, wenn besondere Umstände die Annahme rechtfertigen, daß der Zweck der Maßnahme dadurch nicht gefährdet wird.

(2) Die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis ist aufzuheben, wenn ihr Grund weggefallen ist oder wenn das Gericht im Urteil die Fahrerlaubnis nicht entzieht.

(3) Die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis wirkt zugleich als Anordnung oder Bestätigung der Beschlagnahme des von einer deutschen Behörde ausgestellten Führerscheins. Dies gilt auch, wenn der Führerschein von einer Behörde eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum ausgestellt worden ist, sofern der Inhaber seinen ordentlichen Wohnsitz im Inland hat.

(4) Ist ein Führerschein beschlagnahmt, weil er nach §69 Abs. 3 Satz 2 des Strafgesetzbuches eingezogen werden kann, und bedarf es einer richterlichen Entscheidung über die Beschlagnahme, so tritt an deren Stelle die Entscheidung über die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis.

(5) Ein Führerschein, der in Verwahrung genommen, sichergestellt oder beschlagnahmt ist, weil er nach §69 Abs. 3 Satz 2 des Strafgesetzbuches eingezogen werden kann, ist dem Beschuldigten zurückzugeben, wenn der Richter die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis wegen Fehlens der in Absatz 1 bezeichneten Voraussetzungen ablehnt, wenn er sie aufhebt oder wenn das Gericht im Urteil die Fahrerlaubnis nicht entzieht. Wird jedoch im Urteil ein Fahrverbot nach §44 des Strafgesetzbuches verhängt, so kann die Rückgabe des Führerscheins aufgeschoben werden, wenn der Beschuldigte nicht widerspricht.

(6) In anderen als in Absatz 3 Satz 2 genannten ausländischen Führerscheinen ist die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis zu vermerken. Bis zur Eintragung dieses Vermerkes kann der Führerschein beschlagnahmt werden (§94 Abs. 3, §98).

 

Rz. 60

Auch die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis nach §111a StPO unterliegt als prozessuale Zwangsmaßnahme den verfassungsrechtlichen Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit. Dabei ist ebenfalls das Beschleunigungsgebot zu beachten, wenn die Entziehung zeitlich erheblich nach der Tat liegt. Sie ist daher beispielsweise rechtlich nicht mehr vertretbar, wenn die Tat über zwei Jahre zurückliegt, der diesbezügliche Antrag aber erst mit Anklageerhebung von der Staatsanwaltschaft gestellt wird und das Gericht bis zu seiner Entscheidung weitere fünf Monate vergehen lässt.[46] Gegen diesen Beschluss ist die Beschwerde zulässig. Allerdings ist sie auch gefährlich: Denn hilft der Amtsrichter (der üblicherweise den Beschluss erlassen hat) der Beschwerde nicht ab, hat das Landgericht über die Beschwerde zu befinden – dies dauert allerdings oft Monate und ist damit wenig zeitsparend, zumal bei ablehnender Entscheidung der oberen Instanz auch dem Amtsgericht in gewisser Weise eine Vorentscheidung in die Akte geschrieben wird.

 

Rz. 61

 

Praxistipp

Ratsam ist daher, lediglich eine Stellungnahme in die Akten zu verbringen und ausdrücklich keine Beschwerde zu führen. Denn überzeugt das Amtsgericht die Stellungnahme, wird es von sich aus den Beschluss aufheben. Zudem ist eine zeitliche Verzögerung damit ebenfalls ausgeschlossen.

 

Rz. 62

Muster 5.5: Stellungnahme zur vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis gegenüber dem Amtsgericht

 

Muster 5.5: Stellungnahme zur vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis gegenüber dem Amtsgericht

In pp.

ist die Verteidigung der Ansicht, dass die Voraussetzungen für eine vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis nicht gegeben sind: Denn der hinreichende Tatverdacht kann nicht bejaht werden, also liegen die nach §111a Abs. 1 StPO erforderlichen Gründe für die vorläufige Entziehung nicht vor. Zur Begründung wird ausgeführt, dass ein Wiedererkennen nicht mehr möglich ist. Schon hier wird angekündigt, dass der Verwertung der Lichtbildvorlage, Bl. _________________________ nebst den dazugehörigen Zeugenaussagen der Zeugen _________________________

widersprochen

wird, da die Wahllichtbildvorlage rechtswidrig durchgeführt wurde, da der ermittelnde Polizeibeamte X sämtliche Zeugen gemeinsam befragte mit einer Übersicht von lediglich 6 Personen, ohne die Durchführung sequentiell zu gestalten. Besonders schwerwiegend aber ist der Umstand, dass der Beamte gegenüber den Zeugen vor der Wahllichtbildvorlage ein Ganzkörperfoto des Beschuldigten gezeigt hat mit den Worten: "Den sehen Sie sich bitte genau an."

Die gesamte Wahllichtbildvorlage ist damit unverwertbar aufgrund des suggestiven Charakters und der fehlerhaften Durchführung. Ein "Wiedererkennen" in einer Hauptverhandlung ist eben...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge