Rz. 35

Bußgeldangelegenheiten werden was die Prozesstaktik anbetrifft nahezu gleich verteidigt wie Verkehrsstrafsachen: Allerdings ist vor einer gerichtlichen Auseinandersetzung das Vorverfahren tatsächlich ein verwaltungsrechtliches Anhörungsverfahren, in dem der Betroffene (nicht der Beschuldigte!) ebenfalls rechtliches Gehör für sich in Anspruch nehmen kann.

In den in §66 OWiG genannten Inhalt des Bußgeldbescheids fällt auch eine Punktbewertung. Dieser Hinweis ist nicht einzeln angreifbar, weil er nicht zum gesetzlich vorgeschriebenen Inhalt eines Bußgeldbescheids gehört. Die Punktbewertung nach Anlage 13 zu §40 FeV ist auch keine Nebenfolge i.S.v. §66 Abs. 1 S. 5 OWiG.[19]

 

Rz. 36

Nach der (oft schriftlich durchgeführten) Anhörung wird ein Bußgeldbescheid von der zuständigen Verwaltungsbehörde erlassen, der innerhalb einer Frist von 2 Wochen mittels Einspruch angegriffen werden kann. Der Einspruch muss nicht, kann aber begründet werden. Denn der Verwaltungsbehörde soll die Möglichkeit eröffnet werden, ihre Entscheidung zu überdenken. Hilft sie nicht ab, gibt die Verwaltungsbehörde den Vorgang an das zuständige Amtsgericht ab.

Ein häufiger Anwendungsfall dürfte dann die fehlerhafte Berechnung von Voreintragungen und die damit einhergehende Erhöhung von Bußgeldern durch das Amtsgericht sein.

Die Verhandlung in der Tatsacheninstanz ist grundsätzlich vor dem Amtsgericht angesiedelt und kann ausschließlich mit der Rechtsbeschwerde vor dem Oberlandesgericht bzw. Kammergericht angegriffen werden. Auch kann dort nicht jede Bußgeldsache überprüft werden, sondern es ergeben sich die Beschränkungen von §§79, 80 OWiG. Ist die Hürde der Zulassung genommen, dürfte allerdings die Erhebung der Sachrüge bereits für den Erfolg in der Sache ausreichen.[20]

 

Rz. 37

 

§79 Rechtsbeschwerde

(1) Gegen das Urteil und den Beschluß nach §72 ist Rechtsbeschwerde zulässig, wenn

1. gegen den Betroffenen eine Geldbuße von mehr als zweihundertfünfzig EUR festgesetzt worden ist,
2. eine Nebenfolge angeordnet worden ist, es sei denn, daß es sich um eine Nebenfolge vermögensrechtlicher Art handelt, deren Wert im Urteil oder im Beschluß nach §72 auf nicht mehr als zweihundertfünfzig EUR festgesetzt worden ist,
3. der Betroffene wegen einer Ordnungswidrigkeit freigesprochen oder das Verfahren eingestellt oder von der Verhängung eines Fahrverbotes abgesehen worden ist und wegen der Tat im Bußgeldbescheid oder Strafbefehl eine Geldbuße von mehr als sechshundert EUR festgesetzt, ein Fahrverbot verhängt oder eine solche Geldbuße oder ein Fahrverbot von der Staatsanwaltschaft beantragt worden war,
4. der Einspruch durch Urteil als unzulässig verworfen worden ist oder
5. durch Beschluß nach §72 entschieden worden ist, obwohl der Beschwerdeführer diesem Verfahren rechtzeitig widersprochen hatte oder ihm in sonstiger Weise das rechtliche Gehör versagt wurde.

Gegen das Urteil ist die Rechtsbeschwerde ferner zulässig, wenn sie zugelassen wird (§80).

(2) Hat das Urteil oder der Beschluß nach §72 mehrere Taten zum Gegenstand und sind die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 oder Satz 2 nur hinsichtlich einzelner Taten gegeben, so ist die Rechtsbeschwerde nur insoweit zulässig.

(3) Für die Rechtsbeschwerde und das weitere Verfahren gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Strafprozeßordnung und des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Revision entsprechend. §342 der Strafprozeßordnung gilt auch entsprechend für den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach §72 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1.

(4) Die Frist für die Einlegung der Rechtsbeschwerde beginnt mit der Zustellung des Beschlusses nach §72 oder des Urteils, wenn es in Abwesenheit des Beschwerdeführers verkündet und dieser dabei auch nicht nach §73 Abs. 3 durch einen schriftlich bevollmächtigten Verteidiger vertreten worden ist.

(5) Das Beschwerdegericht entscheidet durch Beschluß. Richtet sich die Rechtsbeschwerde gegen ein Urteil, so kann das Beschwerdegericht aufgrund einer Hauptverhandlung durch Urteil entscheiden.

(6) Hebt das Beschwerdegericht die angefochtene Entscheidung auf, so kann es abweichend von §354 der Strafprozeßordnung in der Sache selbst entscheiden oder sie an das Amtsgericht, dessen Entscheidung aufgehoben wird, oder an ein anderes Amtsgericht desselben Landes zurückverweisen.

 

Rz. 38

 

§80 Zulassung der Rechtsbeschwerde

(1) Das Beschwerdegericht läßt die Rechtsbeschwerde nach §79 Abs. 1 Satz 2 auf Antrag zu, wenn es geboten ist,

1. die Nachprüfung des Urteils zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu ermöglichen, soweit Absatz 2 nichts anderes bestimmt, oder
2. das Urteil wegen Versagung des rechtlichen Gehörs aufzuheben

(2) Die Rechtsbeschwerde wird wegen der Anwendung von Rechtsnormen über das Verfahren nicht und wegen der Anwendung von anderen Rechtsnormen nur zur Fortbildung des Rechts zugelassen, wenn

1. gegen den Betroffenen eine Geldbuße von nicht mehr als einhundert EUR festgesetzt oder eine Nebe...

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