Rz. 24

Hilfebedürftig ist nach § 9 SGB II, wer

seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht
durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit
aus dem zu berücksichtigenden Einkommen (§§ 11 ff. SGB II) oder Vermögen (§ 12 SGB II) sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält.

Es muss also wie im SGB XII

ein Mangel an Mitteln,
die zur Bedarfsdeckung geeignet sind,
tatsächlich zur Verfügung stehen[34]
und nicht normativ geschützt[35] sind.

festgestellt werden.

 

Hinweis

Für die Prüfung des Einkommens sieht das Gesetz folgende Wege vor:

Mitwirkung des Leistungsbegehrenden gem. § 60 Abs. 1 Nr. 1 SGB I[36]
§ 57 SGB I: die Auskunftspflicht von Arbeitgebern
§ 58 SGB I: die Pflicht zur Vorlage von leistungsrelevanten Einkommenssteuerbescheinigungen
§ 60 Abs. 15 SGB I: die Auskunftspflicht Dritter (insbesondere gem. § 60 Abs. 2 S. 1 SGB I von Kreditinstituten und Versicherungen sowie gem. § 60 Abs. 3 und 5 SGB I von Arbeit- und Auftraggebern)[37]
§ 52 SGB I: den quartalsmäßig zum 1.1., 1.4., 1.7. und 1.10. durchzuführenden automatisierten Datenabgleich mit anderen Jobcentern
§ 52a Abs. 1 SGB I: die Datenüberprüfung beim Zentralen Fahrzeugregister, beim Melderegister und beim Ausländerzentralregister
§ 44b Abs. 6 SGB I: eine gegenseitige Informationspflicht und Datenübermittlungsbefugnis zwischen Arbeitsamt, kommunalem Träger und gemeinsamer Einrichtung.
§ 98 Abs. 810 AO:[38] die Möglichkeit, am Kontenabrufverfahren über das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) teilzunehmen.[39]
 

Rz. 25

Darlehensrückzahlungen oder sonstige Verbindlichkeiten mindern das zu berücksichtigende Einkommen nicht. Das gilt selbst dann, wenn der Betroffene sich damit außerstande setzt, seine vertraglichen Verpflichtungen zu erfüllen. Nicht dinglich gesicherte Darlehen, also auch Privatdarlehen zur Immobilienfinanzierung, werden nicht berücksichtigt.[40] Auch die Verrechnung der einem Konto gutgeschriebenen Einnahme seitens der Bank im Rahmen einer Kontokorrentabrede (Dispositionskredit) mindert die Höhe des Einkommens nicht.[41]

 

Rz. 26

Warum jemand hilfebedürftig ist, spielt nach den Regeln des Nachrangprinzips keine Rolle. Für die Leistungsvoraussetzungen kommt es nicht auf ein schuldhaftes Verhalten – z.B. das "Verprassen" einer Erbschaft/Schenkung – an.[42]

Lässt sich nicht aufklären, ob Hilfsbedürftigkeit vorliegt, so geht dies zu Lasten des Antragstellers.[43]

 

Rz. 27

Einkommen und Vermögen sind zur Bedarfsdeckung vorrangig einzusetzen. Einkommen wird in § 11 SGB II definiert, Vermögen in § 12 SGB II. Aus welchem Rechtsgrund Einkommen zufließt, ist für die Definition des Einkommens in der Regel unerheblich.[44]

Mittel (Einkommen und/oder Vermögen) können im SGB II generell geschützt sein. In anderen Konstellationen sind Mittel nur für einen speziellen Personenkreis oder eine spezielle Lebenssituation geschont. Das BSG spricht in diesem Zusammenhang im SGB XII von Mitteln, die "normativ anerkannt für andere Zwecke genutzt werden können oder dürfen"[45] und somit dem Sozialhilfebedürftigen zugutekommen können. Das ist auf das SGB II übertragbar.

 

Wichtig:

Grundsätzlich wird auch das Einkommen und Vermögen Dritter nach Maßgabe des § 9 Abs. 2 SGB II in der Bedarfsgemeinschaft berücksichtigt.[46] Die Ausführungen zur Einsatzgemeinschaft im SGB XII sind unter Berücksichtigung der hiesigen Besonderheiten übertragbar. Es kommt also auch auf das Einkommen von Ehegatten, Lebenspartnern, Eltern etc. bei der Bedürftigkeitsprüfung an.[47]

Ist in einer Bedarfsgemeinschaft nicht der gesamte Bedarf aus eigenen Kräften und Mitteln gedeckt, gilt jede Person der Bedarfsgemeinschaft im Verhältnis des eigenen Bedarfs zum Gesamtbedarf als hilfebedürftig (§ 9 Abs. 2 S. 3 SGB II). So wie Einkommen und Vermögen jeder Person der Bedarfsgemeinschaft geprüft werden müssen, so muss auch die Prüfung der Schontatbestände für jede Person der Bedarfsgemeinschaft erfolgen.

[34] Zum BSHG als Vorläufernorm des SGB XII: BVerwG v. 18.2.1999 – Az.: 5 C 35.97, BVerwGE 108, 296; BSG 14 26/07 R.
[35] BSG v. 28.2.2013 – Az.: B 8 SO 1/12 R, BSG NVwZ-RR 2013, 723 Rn 22; BSG v. 25.4.2013 – Az.: B 8 SO 8/12R, Rn 21.
[36] Vgl. dazu BSG v. 19.9.2008 – Az.: 14 AS 45/07 R, BSGE 101, 260; BSG v. 18. 2. 2010 – Az.: B 14 AS 32/08 R Rn 18.
[37] Vgl. hierzu: BT-Drucks 15/1516, 66 zu Art. 1 § 60 Abs. 2.
[38] Durch Art. 6 Abs. 2 Buchst. b, Art. 14 Abs. 1 des Unternehmenssteuerreformgesetzes 2008 vom 14.8.2007, BGBl I 2007, 1912.
[39] Zu den Einzelheiten vgl. die Handlungsempfehlung/Geschäftsanweisung der BA 08/2007 – SP II 21 – II-8402.
[40] Vgl. Mester, Rechtsprechung zum Vermögenseinsatz nach SGB II und SGB XII, Teil 1, S. 80, 90 m.w.N.; BSG v. 4.4.2019 – Az.: B 8 SO 10/18 R.
[42] Schlegel/Voelzke/Karl, juris-PK SGB II, § 9 Rn 201.
[43]...

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