Rz. 78

Von der Parteifähigkeit zu unterscheiden ist die Prozessfähigkeit. Dies ist die Befugnis, Prozesshandlungen vor Gericht selbst oder durch einen selbst bestimmten Vertreter geltend machen zu dürfen. Die Prozessfähigkeit ist geregelt in den §§ 5153 ZPO und knüpft an die Geschäftsfähigkeit des bürgerlichen Rechts an. Ist eine Person nicht prozessfähig, wird sie im Prozess von ihrem gesetzlichen Vertreter vertreten. Ein Verschulden des gesetzlichen Vertreters wird gem. § 51 Abs. 2 ZPO der Partei zugerechnet.

 

Rz. 79

Wer gesetzlicher Vertreter ist, bestimmt sich nach dem materiellen Recht. Minderjährige werden gem. § 1629 Abs. 1 S. 2 BGB durch beide Elternteile vertreten (Gesamtvertretung); die GmbH gem. § 35 GmbHG durch ihren Geschäftsführer; die AG gem. § 78 AktG durch ihren Vorstand bzw. Vorstandsvorsitzenden; die GmbH & Co. KG durch die Komplementär-GmbH, diese wiederum durch ihren Geschäftsführer. Die OHG wird gem. § 125 HGB vertreten durch die Gesellschafter, soweit sie nicht von der Geschäftsführung ausgeschlossen sind; rechtsfähige Vereine gem. § 26 Abs. 2 BGB durch den Vorstand. Die gesetzliche Vertretung juristischer Personen des öffentlichen Rechts ergibt sich aus der Organisationsnorm der jeweiligen Körperschaft.

 

Rz. 80

Trotz der gesetzlichen Vertretung bleibt der Vertretene Partei des Zivilprozesses. In der Klageschrift sind die Namen der gesetzlichen Vertreter sowie deren Anschrift anzugeben. Diese Angabe ist schon wegen der Zustellungsvorschrift des § 170 ZPO von Bedeutung, weil ohne vollständige Anschrift eine Zustellung unmöglich ist. Darüber hinaus wäre die Klage wegen Fehlens einer Sachurteilsvoraussetzung unzulässig.

 

Rz. 81

 

Tipp

Ergibt sich während der Vorbereitung der Klage, dass eine Partei partiell prozessunfähig ist, hat der Anwalt zur Behebung dieses Prozesshindernisses erforderliche Maßnahmen zu ergreifen. Hier ist an die Anleitung eines Betreuungsverfahrens mit dem Aufgabenkreis der Vermögenssorge oder an die Bestellung eines Prozesspflegers gem. § 57 ZPO zu denken.[84]

 

Rz. 82

Ergeben sich während des Verfahrens berechtigte Zweifel an der Prozessfähigkeit einer Partei, so sind diese gem. § 56 ZPO vom Gericht von Amts wegen in jedem Stadium des Verfahrens zu berücksichtigen. Bei Fehlen der Prozessfähigkeit ist die Klage durch Prozessurteil abzuweisen; bevor ein solches Urteil ergeht, sollte jedoch Gelegenheit zur Behebung der Prozessunfähigkeit gegeben werden.[85]

 

Rz. 83

Ein in Verkennung der Prozessunfähigkeit ergangenes Urteil ist durch die Nichtigkeitsklage gem. § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO anfechtbar.

 

Rz. 84

§ 57 ZPO ist auch anwendbar, wenn die Prozessunfähigkeit oder das Fehlen der gesetzlichen Vertretung des Beklagten sich erst während des Laufes des Prozesses herausstellt.

[84] S. Muster Rdn 308, 309, 309 und 309.
[85] Vgl. Musielak/Voit/Weth, ZPO, § 56 Rn 3.

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