Rz. 74

Eine Informationspflicht besteht auch dahingehend, ob die Bereitstellung personenbezogener Daten für einen Vertragsabschluss erforderlich ist. Hier ist die Beziehung Verantwortlicher – Betroffener angesprochen. Es geht also darum, ob der Verantwortliche den Abschluss eines Vertrages mit dem Betroffenen von der Bereitstellung personenbezogener Daten abhängig macht (Art. 13 Abs. 2 lit. e) 3. Alt. DSGVO).

 

Rz. 75

Derartige Abhängigkeiten bestehen insbesondere im Versicherungsbereich. So normiert § 19 Abs. 1 VVG eine Obliegenheit des Versicherungsnehmers dahingehend, bis zur Abgabe seiner Vertragserklärung die ihm bekannten Gefahrumstände, die für den Entschluss des Versicherers, den Vertrag mit dem vereinbarten Inhalt zu schließen, erheblich sind, dem Versicherer anzuzeigen. Diese Verpflichtung besteht jedoch nur, soweit der Versicherer im Vorfeld in Textform nach derartigen Informationen gefragt hat. § 19 Abs. 1 VVG bedingt keine gesetzliche Verpflichtung zur Bereitstellung personenbezogener Daten durch den Versicherten; da derartige Informationen vor Vertragsschluss ("bis zur Abgabe der Vertragserklärung") und zur Beurteilung der Frage, ob von Seiten des Versicherers überhaupt ein Vertragsschluss mit dem Betroffenen in Betracht kommt, abgefragt werden. Es liegt auch kein "vertraglicher" Bereitstellungsanspruch des Versicherers vor. Es handelt sich vielmehr um "vorvertragliche Informations- und Anzeigepflichten" des Betroffenen, die er zu erfüllen hat, will er überhaupt die Möglichkeit eines Vertragsschlusses erhalten. In diesem Sinne werden vor Begründung von privaten Kranken-, Renten-, Lebens- oder Berufsunfähigkeitsversicherungen umfangreiche Fragen nach gegenwärtigen oder früheren Erkrankungen, gesundheitlichen Störungen und/oder Beschwerden des potentiellen zukünftigen Versicherten gestellt,[75] von deren (wahrheitsgemäßer) Beantwortung die Versicherer den Abschluss eines Versicherungsvertrages abhängig machen und auf deren Grundlage tarifliche Einstufungen des potentiellen zukünftigen Versicherten (bspw. Risikozuschläge) vorgenommen werden. Diese Angaben sind aus Sicht der Versicherungswirtschaft "zur Risikobeurteilung bei Antragstellung" sicherlich erforderlich.[76]

 

Rz. 76

Weitere Anwendungsfälle können sich im Bereich der Kreditgeschäfte (Selbstauskünfte der Banken[77]) oder auch im Zusammenhang mit Vermieterbefragungen vor Abschluss eines Mietverhältnisses ergeben. Auch an Fallkonstellation der "Videoüberwachung" – z.B. beim Betreten eines Geschäftes – ist zu denken.[78]

 

Rz. 77

Die Informationspflicht nach Art. 13 Abs. 2 lit. e) 3. Alt. DSGVO besteht unabhängig der Zulässigkeit derartiger Erhebungen, die ihrerseits vielmehr an den allgemeinen Anforderungen der Erforderlichkeit und den Datenschutzgrundsätzen zu messen sind. Die Norm fordert insoweit zunächst lediglich eine Information darüber, ob Daten (vor) Vertragsschluss erhoben werden, dass diese Erhebungen unabhängig einer hierauf bezogenen gesetzlichen oder vertraglichen Berechtigung oder Verpflichtung des Verantwortlichen und nur deshalb erfolgt, weil der Verantwortliche die Datenerhebung für erforderlich erachtet.

[75] Siehe z.B. den Gesundheitsfragebogen der Heidelberger Leben, abrufbar unter: https://www.heidelberger-leben.de/fileadmin/user_upload/docs/Formulare/HG034.pdf.
[76] Ausführlich hierzu und den von der Versicherungswirtschaft verfolgten Zwecken, Kaldenbach, Das Problem der Informationsgewinnung für die vorvertragliche Risikoprüfung auf Seiten des privaten Berufsunfähigkeitsversicherers, 2011.
[77] Ein Beispiel der Santander Bank findet sich unter: https://www.santander.de/media/pdf/formulare/Selbstauskunft_Refinancing.pdf.
[78] So auch Bäcker, in Kühling/Buchner (Hrsg.), DS-GVO, 2017, Art. 12 Rn 50, soweit dieser ausführt, "die Hinweispflicht des Verantwortlichen entfalle [bei nicht-öffentlichen Stellen], soweit die betroffene Person keinen Zweifel daran haben kann, dass ihre Mitwirkung freiwillig ist", findet dies – jedenfalls in Art. Art. 13 Abs. 2 lit e) DSGVO selbst keinen Ausdruck.

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