Rz. 179

Mit dem zum 1.1.2002 in Kraft getretenen Gesetz zur Verbesserung des zivilgerichtlichen Schutzes bei Gewalttaten sowie zur Erleichterung der Überlassung der Ehewohnung bei Trennung vom 11.12.2001 erwähnte der Gesetzgeber Möglichkeiten des – auch präventiven – Gewaltschutzes, welche bei Gewaltanwendung (widerrechtliche Körper, Gesundheits- oder Freiheitsverletzung) auf Antrag des Opfers nach § 1 Abs. 1 S. 1 GewSchG den Erlass von Schutzanordnungen gestatten, z.B.

Verbot des Betretens der Wohnung,
Verbot, sich der Wohnung innerhalb eines bestimmten Umkreises zu nähern (je nach Umgebung),[182]
Verbot, Orte aufzusuchen, an denen sich das Opfer zwangsläufig aufhalten muss (z.B. Arbeitsplatz, Büro, Betrieb),
Verbot, sich mit dem Opfer in Verbindung zu setzen (z.B. Telefon),
Verbot, überhaupt mit dem Opfer zusammenzutreffen.

Der vorgenannte Katalog ist nicht abschließend ("insbesondere").[183]

 

Rz. 180

Nach § 2 Abs. 1 S. 1 GewSchG kann die verletzte Person bei dauerhaft gemeinsamen Haushalt die Zuweisung der Wohnung zu alleinigen Benutzung verlangen.[184] Bei der Überlassung kommt es auf die zugrundeliegenden Rechtsverhältnisse nicht an.[185] Bestehen aber gemeinsame Rechte (Miteigentum, Mitmieter, Wohnrecht oder ähnliches), ist die Überlassung zur alleinigen Nutzung "in der Regel" auf den Zeitraum von höchstens 6 Monate zu befristen (§ 2 Abs. 2 und 4 GewSchG), eine Frist, die ausnahmsweise um weitere 6 Monate verlängert werden kann, wenn dies die Interessenabwägung (z.B. trotz überwiegender Belange des Täters oder eines Dritten) gestattet. Nach § 2 Abs. 3 GewSchG wird keine Überlassung gestattet, wenn

der Antrag nicht innerhalb von 3 Monaten nach der Tat schriftlich dem Täter gegenüber geltend gemacht wurde,
offenkundig keine Wiederholungsgefahr besteht und wegen der Geringfügigkeit der Tat dem Opfer ein Zusammenleben zuzumuten ist (allerdings nicht bei schwerer Körperverletzung oder sonstigen massiven Delikten),
der Täter selbst eigene Belange (Gebrauch der Wohnung als Behinderter, rollstuhlgerechter Ausbau etc.) ins Feld führen kann, die nach Abwägung auch der Belange des Opfers einen Überlassungsanspruchs des Opfers ausschließt.
 

Rz. 181

Auch bei der bloßen Androhung von Gewaltanwendung (Beeinträchtigung von Leben, Körper und Freiheit) aber auch z.B. beim widerrechtlichen Eindringen auf das Grundstück, ebenso bei permanenten Belästigungen und Nachstellungen (Telefon, Fax, am Arbeitsplatz u.Ä.) greift der Schutz des Gesetzes ein (§ 1 Abs. 1 S. 2 GewSchG), sodass das Opfer auch hier den Erlass von Schutzanordnungen beantragen kann.

Schließlich kommt es nicht darauf an, ob der Täter "bewusstseinsklar" ist oder sich bei der Tat in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand (etwa durch Rauschmittel verursacht) befunden hat.

 

Rz. 182

Der Täter, welcher auf Antrag des Opfers mit Schutzanordnungen durch das Gesetz belegt ist, unterliegt für den Fall des Verstoßes der Strafvorschrift des § 4 GewSchG, wonach der Verstoß mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr geahndet werden kann. Auch die Belästigung ist damit strafbewehrt.

[182] OLG Köln FamRZ 2003, 319 f.; bei Ausländern mit Wohnsitz in Deutschland vgl. Finger, FuR 2004 342 f.; OLG Celle FamRZ 2013, 569.
[183] Vgl. dazu OLG Brandenburg v. 20.5.2016 – 13 UF 15/16, FamRZ 2017, 117; Breidenstein, FuR 2013, 374.
[184] Klein, FuR 2002, 1 ff.; Ebert, § 6 Rn 1–156.
[185] Schumacher, FamRZ 2002, 645; Grziwotz, NJW 2002, 872 ff.; bei Miteigentum vgl. OLG Saarbrücken FamRZ 2010, 1811.

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