Rz. 65

Es ist in der Rechtsprechung geklärt, dass regelmäßiger Konsum als solcher nur bei täglichem oder fast täglichem Cannabis-Konsum – wenigstens fünf Tage in der Woche – vorliegt.[85]

Von mangelndem Trennvermögen ist die ober- und höchstgerichtliche Rechtsprechung zuletzt einhellig ausgegangen, sobald ein Kraftfahrzeug mit einem THC-Wert von 1,0 ng/ml oder mehr im Serum geführt worden ist. 2015 hat die Grenzwertkommission – eine fachübergreifende Arbeitsgruppe, paritätisch besetzt von der Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin, der Deutschen Gesellschaft für Verkehrsmedizin und der Gesellschaft für Forensische und Toxikologische Chemie – einen Grenzwert für die Frage des Trennens von 3,0 ng/ml THC im Serum vorgeschlagen.[86] Es heißt dort:

Zitat

Die Grenzwertkommission empfiehlt daher auf der Grundlage dieser Ausführungen bei Feststellungen einer THC-Konzentration von 3,0 ng/ml oder mehr im Blutserum bei gelegentlich Cannabis konsumierenden Personen eine Trennung von Konsum und Fahren im Sinne von Nr. 9.2.2 der Anl. 4 zur FeV zu verneinen.

Der Streit ist in Wissenschaft und Rechtsprechung offen und wird mitunter wenig nachvollziehbar geführt.[87] So soll ausschlaggebend sein, dass schon bei einem solchen Wert nicht in jedem Einzelfall mit der erforderlichen Gewissheit ausgeschlossen werden kann, dass Beeinträchtigungen von verkehrssicherheitsrelevanten Fähigkeiten der Betroffenen vorliegen. Dies ist insbesondere deshalb zweifelhaft, weil die Rechtsprechung im Entzugs- bzw. Wiedererteilungsverfahren sich an den Stand der Wissenschaft halten müsste. Dennoch wird bei den Entscheidungen bußgeldrechtlich argumentiert, was im Hinblick auf die Eignung in prognostischer Hinsicht kaum Bestand haben kann. Der Verkehrsgerichtstag wird sich 2018 mit diesem Thema befassen.

 

Hinweis

Aktueller Stand ist also, dass von den Obergerichten trotz der Empfehlung der Grenzwertkommission vom September 2015 weiterhin ab einer THC-Konzentration von 1,0 ng/ml im Blutserum von fehlendem Trennungsvermögen zwischen gelegentlichem Cannabiskonsum und dem Führen eines Kraftfahrzeugs ausgegangen wird. Dennoch soll aber bei einer Ordnungswidrigkeit gemäß § 24a Abs. 2, 3 StVG (Fahrt nach Cannabiskonsum) der Fahrlässigkeitsvorwurf ausnahmsweise entfallen, wenn der Betreffende die Fahrt erst nach längerem Zuwarten angetreten hat und er zu diesem Zeitpunkt auch unter Berücksichtigung atypischer Rauschverläufe und der Unberechenbarkeit des THC-Abbaus davon ausgehen konnte, dass der Wirkstoff bei Antritt der Fahrt vollständig abgebaut war ("Längere-Zeit-Rechtsprechung").

Vor dem Hintergrund der inzwischen auch medikamentös zulässigen Gabe von THC sei noch ausgeführt, dass bei der Einnahme eines cannabishaltigen Medikaments zu Therapiezwecken im Einzelfall die Eignungsüberprüfung zu einem positiven Ergebnis führen kann.[88]

[85] BVerwG v. 26.2.2009 – 3 C 1.08, NZV 2009, 2151; VGH Mannheim v. 26.11.2003 – 10 S 2048/03, DAR 2004, 170; BayVGH BA 2004, 97; VGH Baden-Württemberg NZV 2004, 213; zur Rspr. im Übrigen vgl. ausführlich Buschbell/Geiger, MAH Straßenverkehrsrecht, § 6 Rn 34–39.
[86] Blutalkohol 52 (2015), S. 322.
[87] OVG Nordrhein-Westfalen v. 15.3.2017 – 16 A 432/16, ebenso VGH München v. 23.5.2016 – 11 CS 16.690; zuerst wohl VG Düsseldorf v. 30.11.2015 – 6 L 3751/15, das darauf hinweist, dass Möller, in: Hettenbach/Kalus/Möller/Uhle, Drogen und Straßenverkehr, 2. Auflage 2010, § 3 Fn 190 (Möller war 2010 Vorsitzender der Grenzwertkommission) mitteilt, die Rechtsprechung habe sich bislang an die Empfehlungen der Kommission gehalten.
[88] OVG Lüneburg v. 10.1.2013 – 12 ME 289/12, DAR 2013, 288 (Einnahme von Dronabinol).

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