Rz. 228

§ 309 Nr. 12 BGB erklärt solche Vertragsbedingungen für unwirksam, durch die der Verwender die Beweislast zum Nachteil des Vertragspartners verändert. Eine derartige Veränderung liegt insbesondere dann vor, wenn der Verwender dem Vertragspartner die Beweislast für Umstände aus seinem eigenen Verantwortungsbereich auferlegt (§ 309 Nr. 12 lit. a BGB) oder wenn er den Vertragspartner bestimmte Tatsachen bestätigen lässt (§ 309 Nr. 12 lit. b BGB). In den Schutzbereich der Vorschrift fallen sämtliche Änderungen der Beweislast zum Nachteil des Vertragspartners, unabhängig davon, ob es sich um gesetzliche oder richterrechtliche Beweislastregeln handelt.[499]

 

Rz. 229

Die gesetzlichen und richterrechtlichen Beweislastregeln stellen eine ausgewogene und am Maßstab der Gerechtigkeit orientierte Regelung dafür dar, wer im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens bestimmte Tatsachen beweisen muss und wer die Gefahr der Nichterweislichkeit einer Tatsache trägt.[500] Indem § 309 Nr. 12 BGB diese Regelung der Einflussmöglichkeit des Verwenders entzieht, will die Vorschrift erreichen, dass dieses System nicht einseitig zulasten des Vertragspartners verlagert und damit seine materielle Rechtsposition geschwächt wird.[501]

 

Rz. 230

Insbesondere soll der Vertragspartner davor geschützt werden, dass ihm der Verwender die Beweislast für Bereiche auferlegt, in die er keinen Einblick hat, weil sie zur Sphäre des Verwenders gehören (§ 309 Nr. 12 lit. a BGB).[502] Zudem soll der Vertragspartner davor bewahrt werden, dass durch Tatsachenbestätigungen die Beweislast tatsächlich oder faktisch umgekehrt wird, indem er die Unrichtigkeit seiner eigenen Bestätigung beweisen muss (§ 309 Nr. 12 lit. b BGB).[503]

 

Rz. 231

Da die Beweislast mittelbar auch dadurch verändert werden kann, dass der Verwender vertragliche Beweislastregelungen innerhalb der Geschäftsbedingungen modifiziert oder die Beweisanforderungen verändert, sind diese ebenfalls dem Anwendungsbereich des § 309 Nr. 12 BGB zu unterstellen.[504] Alle sonstigen Beweisregelungen, die weder unmittelbar noch mittelbar die Beweislast beeinträchtigen, fallen dagegen nicht unter § 309 Nr. 12 BGB.[505]

 

Rz. 232

Zur Feststellung eines Nachteils des Vertragspartners ist die gesetzliche Beweislastverteilung mit der durch die AGB veränderten Beweislastverteilung zu vergleichen. Nicht maßgeblich ist, ob sich die Modifizierung der Beweislast auf Umstände aus der Sphäre des Verwenders oder der des Vertragspartners bezieht, solange daraus ein Nachteil für den Vertragspartner resultiert.[506] Auch soweit den Verwender die gesetzliche Beweislast für Umstände aus der Sphäre des Vertragspartners trifft, ist eine diesbezügliche Änderung ein Eingriff in die gesetzliche Beweislastverteilung zulasten des Vertragspartners, die durch § 309 Nr. 12 BGB gerade geschützt werden soll.[507]

 

Rz. 233

Nicht unter § 309 Nr. 12 lit. a BGB fallen jedoch allgemeingültige Sorgfaltsanforderungen an den Vertragspartner. So ist es nicht zu beanstanden, wenn eine Bank oder Sparkasse in ihren AGB regelt, dass der Vertragspartner dafür zu sorgen hat, dass kein Dritter Kenntnis von der Geheimzahl erlangt.[508]

 

Rz. 234

Die Abgabe von deklaratorischen oder abstrakten Schuldanerkenntnissen, die ebenfalls nicht unerheblichen Einfluss auf die Beweislast haben können, fällt dagegen nach h.M. nicht unter § 309 Nr. 12 BGB.[509] Dies wird überwiegend damit begründet, dass der Gesetzgeber und die Rechtsprechung die Abgabe entsprechender Schuldanerkenntnisse grundsätzlich für zulässig erachten, weshalb diese nicht durch die zwingende Regelung des § 309 Nr. 12 BGB verhindert werden sollen, sondern vielmehr anhand des Maßstabs der Angemessenheit in § 307 BGB überprüft werden sollen.[510]

 

Rz. 235

Mittelbar kann auch die formularmäßige Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung zu einer Beweislaständerung führen, wenn der Vertragspartner sich mit einer Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO zur Wehr setzen will.[511] Die Rechtsprechung hat entsprechende Vertragsbedingungen bislang jedoch ebenfalls nur nach § 307 BGB überprüft.[512]

 

Rz. 236

Generell müssen auch für § 309 Nr. 12 lit. b BGB die allgemeinen Voraussetzungen des § 309 Nr. 12 lit. a BGB vorliegen, weshalb die Tatsachenbestätigung zugleich zu einer Änderung der Beweislast führen muss.[513] In den Anwendungsbereich des § 309 Nr. 12 lit. b BGB fallen deshalb auch Tatsachenfiktionen, insbesondere dann, wenn die Tatsache durch den Vertragspartner nicht widerlegt werden kann.[514] Dies führt selbst dann zu einem Nachteil i.S.d. § 309 Nr. 12 BGB, wenn der Vertragspartner ohne die entsprechende formularmäßige Regelung ohnehin die Beweislast hätte, weil er die Tatsachenfiktion nicht widerlegen kann.[515]

 

Rz. 237

Auch Wissensbestätigungen können unter § 309 Nr. 12 lit. b BGB fallen, weil diese geeignet sind, die Beweislage des Vertragspartners nachteilig zu beeinflussen.[516] Dies gilt allerdings nur dann, wenn die Wissensbestätigung nicht nur den Wortlaut des Gesetzes wiedergibt, weil ins...

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