Rz. 91

Die fehlende Anwendbarkeit des § 309 Nr. 6 BGB auf alle Arten der Vertragsstrafe führt nicht zu einer generellen Wirksamkeit entsprechender Vereinbarungen. Vielmehr sind – außerhalb des Anwendungsbereiches des § 309 Nr. 6 BGB – Vertragsstrafen nach § 307 BGB auf ihre Angemessenheit hin zu untersuchen.[209] Deshalb erlangt die Anwendung des § 307 BGB insbesondere für Vertragsstrafen im kaufmännischen Geschäftsverkehr besondere Bedeutung.

 

Rz. 92

Für die Wirksamkeit einer Vertragsstrafe spricht es, wenn der Verwender ohne die Vertragsstrafe kein ausreichendes Druckmittel hätte, den Vertragspartner zu seiner Leistung zu bewegen, und eine Schadenspauschalierung den Interessen des Verwenders gerade nicht genügt.[210]

 

Rz. 93

Die maximale Höhe der Vertragsstrafe sollte sich grundsätzlich an der voraussichtlichen Schadenshöhe orientieren und durch den Wert der wesentlichen vertraglichen Leistung begrenzt werden.[211] Im Einzelfall kann die Vertragsstrafe jedoch auch über den Wert der Leistung hinausgehen, wenn das Interesse des Verwenders an einer Leistung durch den Vertragspartner besonders groß ist und durch eine reine Abgeltung des Schadens nicht ohne Weiteres ausgeglichen werden kann. Zu berücksichtigen ist auch, dass der Verwender gegenüber Verbrauchern deutlich geringere Vertragsstrafen in seinen AGB durchsetzen kann als gegenüber einem Kaufmann.[212]

 

Rz. 94

Insgesamt muss die Vertragsstrafe in einem angemessenen Verhältnis zu der Schwere der Pflichtverletzung bzw. des sonstigen Verhaltens des Vertragspartners stehen.[213] Demnach sollten entweder Vertragsstrafen unterschiedlicher Höhe für leichte bzw. schwere Verstöße vorgesehen werden oder die Vertragsstrafe von vornherein nur auf schwere Verstöße des Vertragspartners begrenzt werden. Eine Unwirksamkeit der Vertragsstrafeklausel kann sich auch dann ergeben, wenn mehrere Pflichtverletzungen zu einer einheitlichen Vertragsstrafe kumuliert werden.[214]

 

Rz. 95

Auch die sonstigen Modalitäten der Vertragsstrafe können Gegenstand der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB sein oder zumindest in die Abwägung der Interessen mit einfließen.[215] So wird überwiegend davon ausgegangen, dass eine Vertragsstrafe ein Verschulden des Vertragspartners voraussetzt.[216] Ausnahmen hiervon sind allenfalls dann zulässig, wenn die Interessen des Verwenders die Interessen des Vertragspartners an einer verschuldensabhängigen Haftung derart überwiegen, dass im Einzelfall die Vertragsstrafe auch ohne ein schuldhaftes Verhalten des Vertragspartners noch angemessen erscheint.[217] Allerdings sind derartige Konstellationen – gerade bei Rechtsgeschäften mit Verbrauchern – nahezu ausgeschlossen.

 

Rz. 96

Ebenfalls grundsätzlich zur Unwirksamkeit der Vertragsstrafe in den Geschäftsbedingungen des Verwenders würde es führen, wenn die Vertragsstrafe nicht auf Schadensersatzansprüche des Verwenders gegen den Vertragspartner angerechnet werden könnte.[218]

 

Rz. 97

Auch der Zeitpunkt der Geltendmachung der Vertragsstrafe unterliegt einer Angemessenheitskontrolle und darf nicht willkürlich durch den Verwender hinausgezögert werden.[219] Deshalb ist eine klare Regelung, innerhalb welchen Zeitraums die Vertragsstrafe verlangt werden kann, zu empfehlen. Anerkannt ist in diesem Zusammenhang bspw., dass der Verwender sich die Geltendmachung der Vertragsstrafe bis zur Schlusszahlung vorbehalten darf,[220] also bis zu dem Zeitpunkt, in dem der Leistungsaustausch zwischen den Vertragsparteien vollzogen ist.

 

Rz. 98

Mehrere Verstöße des Vertragspartners, die in einem inneren Zusammenhang stehen, sind nach der gesetzlichen Regelung als ein Verstoß zu behandeln, wovon der Verwender grundsätzlich nicht zulasten des Vertragspartners abweichen darf.[221] Eine Ausnahme kommt auch hier nur dann in Betracht, wenn das Interesse des Verwenders an einer gesonderten Vertragsstrafe für jeden Verstoß das des Vertragspartners deutlich überwiegt.[222]

 

Rz. 99

Bei erheblichen zeitlichen Verzögerungen der Vertragsdurchführung, die entweder der Verwender zu vertreten hat oder die beide Vertragspartner nicht verschuldet haben, ist der Verwender nach § 242 BGB daran gehindert, von seinem Vertragspartner eine Vertragsstrafe zu verlangen.[223]

 

Rz. 100

Gegenstand der Rechtsprechung waren Vertragsstrafen insbesondere im Zusammenhang mit Bauaufträgen. Diese Entscheidungen dürften – zumindest im Grundsatz – auch auf sonstige Verträge übertragbar sein, an denen Unternehmer als Vertragspartner beteiligt sind:

Verschulden: Die Erforderlichkeit eines Verschuldens für die Auslösung der Vertragsstrafe war im Baurecht früher ausdrücklich in § 11 Nr. 2 VOB/B a.F. geregelt.[224] Auch nach der Änderung des § 11 VOB/B ergibt sich das Erfordernis eines Verschuldens bei der Vertragsstrafe, da diese im Baurecht grundsätzlich einen Verzug des Schuldners voraussetzt und dieser Schuldnerverzug nur verschuldensabhängig eintreten kann.[225]
Höhe der Vertragsstrafe: In zeitlicher Hinsicht darf die Vertragsstrafe 0,2 % pro Werktag bzw. 0,3 % je Arbeitstag bezogen ...

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