Rz. 329

Der Anwendungsbereich des § 308 Nr. 3 BGB umfasst insbesondere:

Gestaltungsrechte, die durch einseitige Erklärung des Verwenders ausgelöst werden können,[700]
einen Anspruch des Verwenders auf Vertragsauflösung,[701]
auflösende Bedingungen oder Befristungen von Willenserklärungen, da diese in ihrer Auswirkung für den Vertragspartner einem Lösungsrecht gleichkommen.[702]
 

Rz. 330

So bezieht sich § 308 Nr. 3 BGB nach h.M. nicht nur auf einen Rücktrittsvorbehalt des Verwenders, sondern auf jede Möglichkeit, sich vom Vertrag zu lösen.[703] Anwendung findet das Klauselverbot damit auch auf

Verfallsklauseln,
Widerrufsvorbehalte,
Anfechtungsvorbehalte,
Befreiungsklauseln,
auflösende Bedingungen und
Kündigungsrechte.[704]
 

Rz. 331

Dabei muss sich das Lösungsrecht auf die Hauptleistungspflicht des Verwenders beziehen und kann somit auch in Liefer- oder Einkaufsbedingungen vorgesehen sein.[705] Dagegen sind Lösungsrechte, die sich nur auf Nebenpflichten des Verwenders beziehen, grundsätzlich nicht nach § 308 Nr. 3 BGB, sondern allenfalls nach § 307 BGB auf ihre Unangemessenheit hin zu untersuchen,[706] weil bei einer Loslösung von dieser Nebenpflicht die Erbringung der Hauptleistung durch den Verwender nicht in Frage gestellt wird. Anders wird man nur dann entscheiden müssen, wenn die Erbringung der Nebenpflicht für die gesamte Vertragsabwicklung derart bedeutsam ist, dass durch deren Nichterbringung auch die Hauptleistung durch den Verwender beeinträchtigt wird. Werden durch das Lösungsrecht dagegen einzelne Teile der Hauptleistung oder die Hauptleistung an sich erfasst, ist der Anwendungsbereich des § 308 Nr. 3 BGB uneingeschränkt eröffnet.[707]

 

Rz. 332

Unbeachtlich ist dabei auch, wie der Verwender die Lösungsrechte in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen bezeichnet.[708] Beispiele für Bezeichnungen von Lösungsrechten sind: "Solange der Vorrat reicht", "Dieses Angebot ist freibleibend"; "Der Verwender hat das Recht, vom Vertrag Abstand zu nehmen, wenn…"; "Der Verwender ist berechtigt, einzelne Leistungen zu streichen", etc.[709]

 

Rz. 333

Bei zweideutig formulierten Vertragsbedingungen muss durch Auslegung ermittelt werden, ob sich der Verwender ein Lösungsrecht i.S.d. § 308 Nr. 3 BGB ausbedungen hat oder ob er nur die Haftungsfolgen seiner Leistungserbringung einschränken oder ausschließen wollte.[710] Dabei ist zu beachten, dass Zweifel bei der Auslegung der Geschäftsbedingungen zulasten des Verwenders gehen, demnach diejenige Regelung Anwendung findet, die die für den Vertragspartner günstigsten Auswirkungen zeigt.

 

Rz. 334

Ausgenommen sind nach § 308 Nr. 3 Hs. 2 BGB dagegen Lösungsrechte, die sich auf Dauerschuldverhältnisse beziehen.[711] Hierunter fallen insbesondere

Mietverträge,
Pachtverträge,
Leasingverträge,
Leihverträge,
Handelsvertreter-/Vertragshändlerverträge,
Wartungs-/Instandhaltungsverträge,
Verwahrungsverträge,
Geschäftsbesorgungsverträge,
unechte Sukzessivlieferungsverträge,
Dienstverträge und
Darlehensverträge.[712]

Ebenfalls nicht unter § 308 Nr. 3 BGB fallen:

Vorverträge, die auf den Abschluss eines Dauerschuldverhältnisses gerichtet sind,[713]
Ratenlieferungsverträge (echte Sukzessivlieferungsverträge).[714]
 

Rz. 335

Auch Arbeitsverträge können als Dauerschuldverhältnisse in den Anwendungsbereich des § 308 Nr. 3 2. Hs. BGB fallen.[715] Dagegen fallen kurzzeitige Nutzungsverträge auch dann nicht unter § 308 Nr. 3 2. Hs. BGB, wenn sie als typisches Dauerschuldverhältnis ausgestaltet sind.[716]

 

Rz. 336

Der Grund für die Ausnahme bei Dauerschuldverhältnissen besteht zum einen darin, dass bei diesen der Leistungsinhalt wesentlich durch die Dauer des Schuldverhältnisses mitgeprägt wird, nach § 307 Abs. 3 BGB die Beschreibung der Leistung jedoch nicht der Inhaltskontrolle nach den §§ 308, 309 BGB, sondern allenfalls der Angemessenheitsprüfung nach § 307 BGB unterliegen soll.[717] Der eigentliche Grund, warum bei einem Dauerschuldverhältnis die Einbeziehung eines Lösungsrechts in die AGB nicht dem Anwendungsbereich eines konkreten Klauselverbots unterliegen sollte, besteht darin, dass bei einem Dauerschuldverhältnis die Regelung eines Lösungsrechtes dem Grunde nach einen angemessenen Regelungsinhalt darstellt, weshalb dem Verwender Grenzen der Gestaltungsmöglichkeit nicht durch § 308 Nr. 3 BGB, sondern allenfalls durch § 307 BGB gezogen werden sollen.[718] So kann es im Einzelfall nach § 307 BGB unangemessen sein, wenn sich der Verwender schon vor Vertragsbeginn eine Kündigungsmöglichkeit schafft.[719] Ob dagegen die Begründung eines außerordentlichen Kündigungsrechts noch als angemessen anzusehen ist, hängt davon ab, wie sehr sich der Verwender zulasten des Vertragspartners von den gesetzlich vorgesehenen außerordentlichen Kündigungsrechten entfernt.[720]

[700] BAG NZA 2006, 539; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, § 308 Nr. 3 Rn 15; Palandt/Grüneberg, § 308 Rn 16.
[701] BAG NZA 2006, 539; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, § 308 Nr. 3 Rn 16.
[702] BAG NZA 2006, 5...

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