Rz. 21

Mitunter wird die Kompetenz zur Abnahme des Gemeinschaftseigentums in den Erwerbsverträgen und/oder in der Gemeinschaftsordnung "der Eigentümergemeinschaft" übertragen. Es kommt auch vor, dass die Eigentümergemeinschaft sich ohne Zuweisung einer entsprechenden Kompetenz mit der Abnahme des Gemeinschaftseigentums befasst. Das geschieht insbesondere dann, wenn in den Erwerbsverträgen keine (oder unklare) Regelungen zur Abnahme enthalten sind und die Wohnungseigentümer sich fragen, wann denn die Abnahme des Gemeinschaftseigentums eigentlich erfolgt ist und wann der Lauf der Verjährung begonnen hat. Obwohl die Abnahmewirkungen dem Bauträger zugutekommen und es deshalb nur in seinem Interesse (nicht in dem der WEG) liegt, für eine (vollständige) Abnahme zu sorgen, möchten die Wohnungseigentümer oftmals selbst klare Verhältnisse schaffen und die Abnahme zu einer Sache der Gemeinschaft machen. Es stellt sich also die Frage, ob die Gemeinschaft – ob mit oder ohne Kompetenzzuweisung in der Teilungserklärung – wirksam die Abnahme erklären kann. Das wurde früher teilweise bejaht. Dafür ließ sich immerhin der Gesichtspunkt anführen, dass die Gemeinschaft gem. § 10 Abs. 6 WEG per Beschluss die Verfolgung von auf das Gemeinschaftseigentum bezogenen Mängelrechten an sich ziehen kann; und weil Mängelrechte und Abnahmepflicht ihre Grundlage gleichermaßen in den individuellen Erwerbsverträgen haben, wurde daraus teilweise gefolgert, dass die Gemeinschaft auch die Abnahmeerklärung an sich ziehen könne. Der BGH verneint die Frage aber zu Recht.[56] Entsprechende Klauseln in der Teilungserklärung sind deshalb nichtig, ebenso Abnahmebeschlüsse der Gemeinschaft.[57] Die Gemeinschaft sollte sich also nicht mit dem Thema "Abnahme" befassen, sehr wohl aber mit dem Thema "Baumängel".

 

Rz. 22

 

Beispiel

Auf einer Eigentümerversammlung wird folgender Beschluss gefasst:

"Der Verwaltungsbeirat wird beauftragt, zusammen mit dem Verwalter eine Hausbegehung durchzuführen und etwaige Mängel festzustellen. Der Verwalter hat den Bauträger zur Beseitigung der Mängel aufzufordern. Nach Beseitigung der restlichen Mängel soll der Verwaltungsbeirat die Abnahme des Gemeinschaftseigentums erklären."

Gegen die ersten zwei Sätze, also gegen die gemeinschaftliche Feststellung etwaiger Baumängel und die Ermächtigung des Verwalters, deren Beseitigung vom Bauträger zu verlangen, bestehen keine Bedenken.

Die im dritten Satz beschlossene Delegation der Abnahme auf den Verwaltungsbeirat ist aber nicht möglich: Weil der Gemeinschaft die Beschlusskompetenz zur Erklärung der Abnahme fehlt, kann sie die (nicht bestehende) Kompetenz auch nicht wirksam delegieren. Insoweit ist der Beschluss nichtig.

 

Rz. 23

 

Praxistipp

Die geordnete Sammlung von (mutmaßlichen) Mängeln des Gemeinschaftseigentums ist sinnvoll. Die im vorstehenden Beispiel vorgesehene "Begehung" durch Miteigentümer und den Verwalter ist häufig aber nicht ausreichend. Deshalb ist es – falls der Bauträgervertrag nicht bereits die Prüfung des Gemeinschaftseigentums durch einen (neutralen) Sachverständigen vorsieht – sinnvoll und rechtmäßig, wenn die Gemeinschaft per Beschluss einen Sachverständigen mit der Prüfung der Mangelfreiheit des Gemeinschaftseigentums bzw. mit der Aufnahme und Bewertung etwaiger Baumängel beauftragt (→ § 5 Rdn 70). Man kann insoweit von einer "technischen Abnahme" sprechen, jedoch ist davon abzuraten, in diesem Zusammenhang überhaupt das Wort "Abnahme" zu verwenden. Der Sachverständige klärt (nur) die "Abnahmereife", wohingegen die rechtsgeschäftliche Abnahmeerklärung den Erwerbern überlassen bleibt.

[56] BGH v. 12.5.2016 – VII ZR 171/15, ZMR 2016, 711, Rn 33; ebenso LG München I v. 7.4.2016 – 36 S 17586/15, ZMR 2016, 991. Schmidt-Räntsch (ehemaliges Mitglied des für das WEG-Recht zuständigen V. BGH-Zivilsenats), ZWE 2016, 429, 435 vertritt allerdings die Auffassung, dass die Gemeinschaft nach einer Vergemeinschaftung der Mängelrechte für die Erklärung der Abnahme zuständig sei; diese Auffassung hat sich (m.E. zu Recht) bislang nicht durchgesetzt.
[57] OLG Düsseldorf v. 2.7.2019 – 23 U 205/18, ZWE 2020, 71, Rn 37; BeckOK WEG/Müller, WEG, § 9a Rn 274 ff.

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