Rz. 424
Nach § 11 Abs. 5 AÜG ist der Einsatz von Leiharbeitnehmern in einem vom Arbeitskampf betroffenen Entleiherbetrieb grundsätzlich unzulässig. Dies betrifft auch nicht vom Streik betroffene Betriebsabteilungen des Entleihers. Allerdings hat sich das noch in den beiden Gesetzesentwürfen des BMAS[1020] enthaltene Totalverbot nicht durchgesetzt. Leiharbeitnehmer können nämlich ausnahmsweise eingesetzt bleiben, wenn sichergestellt ist, dass diese nicht (unmittelbar oder mittelbar) die Arbeit eines streikenden Stammarbeitnehmers übernehmen (vgl. Rdn 297). Dennoch wird auch die "abgeschwächte" Neuregelung des § 11 Abs. 5 AÜG von vielen Seiten scharf kritisiert und als verfassungsrechtlich bedenklich eingestuft:[1021] Zunächst stelle das Streikbrecherverbot einen Verstoß gegen die negative Koalitionsfreiheit des Leiharbeitnehmers dar. Denn diesem werde faktisch die Beteiligung an einem "branchenfremden" Streik der Einsatzbranche aufgezwungen.[1022] Zudem verletze der Staat seine Neutralitätspflicht, da er unverhältnismäßig in die Kampfparität eingreife.[1023] Denn die Folgen eines Streiks könnten ohne Belastung der Kampfkassen der Gewerkschaft zu Lasten des Arbeitgebers (hier des Entleihers) ausgeweitet werden.[1024] Hierfür fehle es an der erforderlichen strukturellen Unterlegenheit einer Seite. Bereits aufgrund der tarifvertraglichen Regelungen solcher Einsatzverbote[1025] sei die Regelung überflüssig und unverhältnismäßig.[1026] Schließlich würde das Gesetz ignorieren, dass das Streikbrecherverbot die Zeitarbeitsunternehmen finanziell belastet. Denn diese erhalten während des Tätigkeitsverbots im Entleiherbetrieb keine Vergütung von ihren Kunden, müssen aber die Leiharbeitnehmer weiterbezahlen.[1027] Trotz dieser Kritik hat das BVerfG das Streikbrecherverbot in § 11 Abs. 5 AÜG mittlerweile für verfassungskonform erklärt.[1028] Es hat dazu ausgeführt, dass die Regelung die Koalitionsfreiheit ausgestalte. Dem Verbot des Einsatzes von Leiharbeitnehmern bei einem Streik stehe nicht entgegen, dass es in einem Bereich ansetzt, der Gegenstand tariflicher Vereinbarung ist. Es sei dem Gesetzgeber zum Schutz von Gemeinwohlbelangen mit verfassungsrechtlichem Rang grundsätzlich nicht verwehrt, Fragen zu regeln, die Gegenstand von Tarifverträgen sein können. Die streitbefangene Ausgestaltung der Erwerbsarbeit von Leiharbeitnehmern sei vom Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers gedeckt. Er verfolge ein legitimes Ziel mit einem nicht von vornherein ungeeigneten Mittel, das auch insgesamt zumutbar erscheine, also verhältnismäßig sei. Nach Ansicht des BVerfG verletzt die Regelung auch nicht die staatliche Neutralitätspflicht, da es dem Gesetzgeber gerade nicht verwehrt sei, die Rahmenbedingungen im Tarifvertragsrecht zu ändern, um eine gestörte Parität wieder herzustellen.
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