Rz. 116

Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH ist der Geschädigte grundsätzlich verpflichtet, die ihm verbleibende Arbeitskraft in zumutbarer Weise so nutzbringend wie möglich schadensmindernd einzusetzen (BGH VersR 1983, 488; BGH DAR 2007, 141).

 

Rz. 117

Die Zumutbarkeit für die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit durch den Geschädigten bestimmt sich nach dessen Persönlichkeit, sozialer Lage, bisherigem Lebenskreis, Begabung und Anlagen, Bildungsgang, Kenntnissen und Fähigkeiten, bisherigem Werdegang, gesundheitlichen Verhältnissen, Alter, seelischer und körperlicher Anpassungsfähigkeit, Umstellungsfähigkeit, Art und Schwere der Unfallfolgen, Familie (Familienstand, Zahl und Alter der Kinder), und Wohnort (BGH VersR 1974, 142; BGH NJW 1984, 2520).

 

Rz. 118

Verstößt der Geschädigte gegen die vom BGH entwickelten Grundsätze zur Erwerbsobliegenheit, so ist ein möglicher (fiktiver) Verdienst nach § 287 ZPO zu schätzen und auf den Erwerbsschadensersatzanspruch des Geschädigten anzurechnen. Eine quotenmäßige Kürzung darf nicht erfolgen (BGH NJW 2007, 64).

 

Praxistipp

Der Geschädigte sollte sich der kostenlosen Dienste der Bundesagentur für Arbeit zur Arbeitsvermittlung bedienen. Um einen leidensgerechten Arbeitsplatz vermittelt zu bekommen, ist es ratsam, wenn er die bislang vorliegenden medizinischen Unterlagen und auch das gegebenenfalls vorliegende Rentengutachten der Deutschen Rentenversicherung/des gesetzlichen Unfallversicherers vorlegt. Die Bundesagentur für Arbeit wird in einem solchen Falle ohnehin durch den eigenen medizinischen Dienst vorab prüfen, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang und mit welchen Leistungseinschränkungen der Geschädigte in die Arbeitsvermittlung aufgenommen werden kann.

 

Rz. 119

Wenn sich der Geschädigte als medizinisch (teilweise) arbeitsfähig erweist, aber andererseits ein (leidensgerechter) Arbeitsplatz trotz intensiver Suche und der Bereitschaft, den Wohnort zu wechseln nicht zur Verfügung steht, ist es ratsam, auf professionelles Schadensmanagement durch einen Reha-Dienst zurückzugreifen.

 

Praxistipp

Es ist die Aufgabe des Rechtsanwaltes, für seinen Mandanten mit dem Versicherer über die Einschaltung eines Reha-Dienstes zur beruflichen Rehabilitation des Geschädigten ins Gespräch zu kommen. Wenn am Ende nicht nur die eigenen Bemühungen des Geschädigten zur Wiedererlangung eines Arbeitsplatzes gescheitert sind, sondern auch diejenigen eines professionellen Schadensmanagers, steht der Schadensregulierung auch des zukünftigen Erwerbsschadens gegebenenfalls durch Kapitalisierung faktisch nicht mehr viel im Wege.

 

Praxistipp

Der Rechtsanwalt sollte seinen Mandanten dazu anhalten, sich selbst aktiv um eine neue leidensgerechte Arbeitsstelle zu bemühen. Hierfür sollten neben der Bundesagentur für Arbeit auch private Arbeitsvermittlungsdienste eingeschaltet werden. Auch Initiativbewerbungen und die Auswertung der Stellenanzeigen in der örtlichen und auch überörtlichen Presse nebst schriftlicher Dokumentation der Bewerbungsversuche sollten vom Rechtsanwalt bei seinem Mandanten abgefordert werden. Mündliche Bewerbungsversuche müssen nachvollziehbar stichwortartig vom Geschädigten (mit wem, wann und über welche Arbeitsstelle, mit welchem Ergebnis gesprochen wurde) dokumentiert werden. In einem späteren Klageverfahren muss der Geschädigte gegebenenfalls darlegen, was er zur Schadensminderung unternommen hat (zuletzt BGH DAR 2007, 142).

Kommt es dann zur Arbeitsaufnahme und stellt sich dabei heraus, dass der Geschädigte den Anforderungen des Arbeitsplatzes nicht gewachsen ist und bricht er die Tätigkeit deshalb ab, ist er nicht verpflichtet, weitere Versuche der Arbeitsaufnahme zu unternehmen (BGH VersR 1961, 1018).

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