Rz. 284

Bei der Regulierung vermehrter Bedürfnisse von behinderten Menschen oder pflegebedürftigen Geschädigten muss im Einzelfall immer geprüft werden, ob kongruente Leistungen gewährt worden sind, weil dann ein Anspruchsübergang gem. § 116 SGB X zum Unfallzeitpunkt auf den Sozialversicherungsträger stattgefunden hat und der Geschädigte im Rahmen der zivilrechtlichen Regulierung nicht mehr aktivlegitimiert ist. Insoweit ist an dieser Stelle auf die Ausführungen unten zu verweisen (§ 11 Rdn 40 ff.).

 

Rz. 285

Kongruente Leistungen zu vermehrten Bedürfnissen und Heilbehandlungskosten stellen insbesondere folgende Leistungen der Sozialversicherungsträger dar, wobei diese Aufzählung aufgrund der großen Anzahl denkbarer Leistungen nicht abschließend sein kann (zitiert nach Geigel, Der Haftpflichtprozess, 27. Auflage 2015, S. 1554 ff.):

Zitat

"Beihilfe zur Anschaffung eines Pkw, soweit dies neben der beruflichen Rehabilitation auch – unfallbedingt – zur Ausgestaltung des "sonstigen Lebens" notwendig ist, z.B. § 40 SGB VII"
Eingliederungshilfe gemäß §§ 53 ff. SGB VII (OLG Köln vom 7.11.2012, I-5 U 51/12)
Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben gemäß §§ 33 ff. SGB IX einschließlich Maßnahmen der "unterstützten Beschäftigung" und in "Werkstätten für behinderte Menschen" gemäß §§ 38a, 39 ff. SGB IX (OLG Oldenburg vom 5.6.2013, 5 U 76/12)
Aufwendungen für Integrationsprojekte gemäß § 132 SGB IX (evtl. auch kongruent zum Erwerbsschaden)
Haus- und Heimpflege, § 44 SGB VII
ambulante Pflege (als Sachleistung § 36 SGB XI oder Geldleistung gemäß § 37 SGB XI)
teilstationäre oder vollstationäre Pflege, §§ 41 ff., 43 SGB XI, soweit mit diesen Leistungen die Bedürfnisse des Verletzten selbst ausgeglichen werden (BGH vom 27.6.2006, XI ZR 337/04)
häusliche Krankenpflege, §§ 37 SGB V, 32 SGB VII,
Pflegegeld (einschließlich Hilfe in sonstigen Lebenslagen, § 73 SGB VII: BGH vom 27.6.2006, VI ZR 337/04) nach §§ 61 ff., 70 ff. SGB VII und Mehrbedarf, soweit unfallbedingt (BGH vom 8.11.2001, IX ZR 64/01) nicht bezüglich Blindengeld, da das nach den Landesblindengeldgesetzen ohne Rücksicht auf anderweitiges Einkommen und Vermögen gezahlt wird (BGH vom 24.9.1987, III ZR 49/86; vgl. auch OLG Oldenburg vom 30.6.2006, 6 U 38/06)
Krankengeld bei Fernbleiben von der Arbeit wegen des unfallbedingt erkrankten Kindes, § 45 SGB V
Haushaltshilfe §§ 38 SGB V, 42 SGB VII, 10 KVLG, soweit die Haushaltshilfe den Bedürfnissen des Verletzten selbst dient, ansonsten Erwerbsschaden
Aufwendungen für Kleidermehrverschleiß,
Führungsgeld bei Blinden
Behindertensport
Wohnungshilfe für Behinderte
Umbauten wegen Behinderung
Leistungen für ambulante und stationäre Heilbehandlung einschließlich “medizinischer Reha‘ sofern Primärverletzung durch Unfall erwiesen (BGH vom 17.9.2013, VI ZR 95/13);
Kosten für eine Suchtbehandlung, sofern unfallbedingt, z.B. durch Abhängigkeit von Schmerztabletten
Kosten für Beförderung mit Rettungswagen (BGH vom 29.6.2004, VI ZR 211/03)
häusliche Krankenpflege, §§ 37 SGB V, 32 SGB VII, soweit dazu auch die hauswirtschaftliche Versorgung gehört, besteht Kongruenz zum Ersatzanspruch wegen vermehrter Bedürfnisse
Kosten für Arznei-, Verbands- und Hilfsmittel, wie z.B. Brillen, Zahnersatz, Rollstuhl, §§ 31 ff. SGB V, 29 ff. SGB VII
Kosten für Sondernahrung ohne Abzug für ersparte Verpflegung (OLG Zweibrücken vom 1.12.2009, 5 U 8/09)
Kosten für Belastungserprobung und Arbeitstherapie, § 42 SGB V
Kosten für eine behindertengerechte Wohnung
Ersatz für Beschädigung künstlicher Körperteile und Krankenfahrzeuge, §§ 33 SGB V, 27 Abs. 2 SGB VII
 

Rz. 286

Sollte der Geschädigte Pflegegeld aus der Pflegeversicherung erhalten oder Leistungen der Sozialhilfe beziehen, so handelt es sich in beiden Fällen um kongruente Leistungen (BGH NJW 1996, 726 ff.; BGH zfs 2006, 618 ff.; BGH NJW 2004, 2892).

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