Rz. 96

Der Hätte-Verdienst wird als Nettobetrag bei der Schadensbezifferung zugrunde gelegt. Vom Bruttoentgelt sind die Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung (Arbeitslosenversicherung, Krankenversicherung, Pflegeversicherung, Rentenversicherung) ebenso abzusetzen wie die Einkommen- und Kirchensteuer sowie der Solidaritätszuschlag.

 

Rz. 97

Der Hätte-Verdienst ermittelt sich beim Arbeitnehmer aus dem gesamten Nettogehalt inklusive aller Zulagen, wie Schichtarbeitszeitvergütung, Erschwerniszulagen (OLG Hamm zfs 1996, 211), Auslandsverwendungszulagen (OLG Hamm DAR 2006, 274), Überstundenvergütung (LG Saarbrücken zfs 2006, 500), Bereitschaftsdienstzuschlag (LG Saarbrücken zfs 2006, 500) und Gratifikationen wie zum Beispiel Weihnachtsgeld und Urlaubsgeld. Zum Bruttogehalt zählen auch freie Kost und Mitarbeiterrabatte (Scheffen, VersR 1990, 929). Zu berücksichtigen sind ferner steuerfreie Spesen, Verpflegungsmehraufwand, Aufwandsentschädigungen (OLG Hamm NZV 2006, 94), Fahrtkostenersatz (OLG Hamm NZV 2006, 94) und Trennungsentschädigungen. Hierbei ist zu bedenken, dass diese pauschalen Leistungen des Arbeitgebers als Ausgleich für Aufwendungen des Arbeitnehmers gewährt werden. Gegebenenfalls ist eine leichte Korrektur wegen ersparter Aufwendungen vorzunehmen, die daraus resultieren, dass dem Geschädigten die damit abzugeltenden Kosten nicht in vollem Umfange entstanden sind. Keinesfalls können deshalb die pauschalen Leistungen bei der Ermittlung des Hätte-Verdienstes vollständig entfallen. Ebenfalls zum Hätte-Verdienst werden Nebeneinkünfte gezählt. Zu nennen ist hier das Trinkgeld (OLG München zfs 1983, 229 und LG Hanau zfs 1994, 443) und auch die häufig anzutreffende Nebentätigkeit von Klinikärzten wie auch der Verdienstausfall von Studenten (OLG Schleswig, Der Verkehrsanwalt 2008, 122). Ebenfalls zum Hätte-Verdienst sind Steuerrückerstattungen zu addieren.

 

Praxistipp

Wenn der Geschädigte unregelmäßige Zulagen, Gratifikationen und Nebeneinkünfte erhält, sollten die Entgeltabrechnungen für das komplette Kalenderjahr vor dem Verkehrsunfall auf derartige Zahlungen überprüft werden. Die Gesamtsumme aus einem vollständigen Kalenderjahr kann durch Zwölftelung auf den Kalendermonat als Durchschnittswert heruntergerechnet werden und steht so bei der Schadensermittlung zur Verfügung. Da Trinkgelder regelmäßig nicht auf der Entgeltabrechnung erfasst sind, können diese aus dem Einkommensteuerbescheid des Geschädigten des Vorjahres entnommen werden und es kann ebenfalls durch Zwölftelung ein Monatsbetrag als Durchschnittswert ermittelt werden.

 

Hinweis

Nicht zum Hätte-Verdienst zählen Einnahmen aus Schwarzarbeit (LG Oldenburg NJW-RR 1988, 1496).

 

Rz. 98

Zum Teil werden vereitelte Eigenleistungen am Bau ebenfalls dem Hätte-Verdienst zugeordnet (OLG Hamm VersR 1989, 152; OLG München zfs 1990, 154). Wegen der damit verbundenen Problematik, diese Eigenleistungen steuerrechtlich und sozialversicherungsrechtlich zu erfassen, sollten die vereitelten Eigenleistungen am Bau ebenso wie Renovierungsarbeiten im Haus sowie am Hausgrundstück dogmatisch den vermehrten Bedürfnissen zugeordnet werden.

 

Praxistipp

Wenn der Geschädigte über ein unregelmäßiges und schwankendes Einkommen verfügt, kann aus den Nettoentgelten der letzten ein bis drei Jahre vor dem Verkehrsunfall ein Monatsdurchschnitt ermittelt werden. Hierfür genügt häufig die Heranziehung der jeweiligen Entgeltabrechnung des Kalendermonates Dezember, wenn darin die Gesamtjahreseinkünfte kumuliert werden. Durch Zwölftelung des Jahresnettoeinkommens lässt sich schnell das durchschnittliche Nettomonatsentgelt ermitteln. Hilfsweise können auch die Einkommensteuerbescheide der letzten ein bis drei Jahre herangezogen werden. Wenn keinerlei schriftliche Unterlagen beigebracht werden können, besteht die Möglichkeit auf einen Vergleichsarbeitnehmer und dessen Einkommen abzustellen.

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