Rz. 22

Hier geht es um die Herausgabe des abgeschleppten Fahrzeugs nur bei Zahlung der angefallenen Kosten. Im Zivilrecht kann die geschuldete Leistung verweigert werden, wenn dem Verpflichteten ein Zurückbehaltungsrecht zusteht (§ 273 BGB).

In einigen Bundesländern ist im Polizeigesetz ein Zurückbehaltungsrecht ausdrücklich vorgesehen. Nach § 24 Abs. 3 S. 3 Musterentwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes kann die Herausgabe einer sichergestellten Sache von der Zahlung der Kosten abhängig gemacht werden. Dieser Regelung sind z.B. NRW (vgl. § 44 Abs. 3 S. 3 PolGNW), Sachsen-Anhalt (§ 48 Abs. 3 SOG LSA), das Saarland (§ 24 Abs. 3 S. 3 SaarlPolG), Hamburg (§ 14 Abs. 3 S. 5 HambSOG), Hessen (§ 43 Abs. 3 S. 4 HessSOG), Thüringen (§ 30 Abs. 3 S. 4 ThürPAG), Brandenburg (§ 28 Abs. 3 S. 5 BbgPolG), Bremen (§ 26 Abs. 3 S. 3 BremPolG), Niedersachsen (§ 29 Abs. 3 S. 3 NdsSOG), Bayern (Art. 28 Abs. 3 S. 3 BayPAG), Rheinland-Pfalz (§ 25 Abs. 3 S. 3 POG RP), Berlin (§ 41 Abs. 3 S. 3 ASOG Bln), Baden-Württ.(§ 3 Abs. 1 S. 4 DVO PolG BW), Mecklenburg-Vorpommern (§ 61 Abs. 3 SOG M-V) oder Sachsen (§ 34a SächsPolG) gefolgt. Hier kann die Herausgabe sichergestellter Kraftfahrzeuge von der Zahlung der Abschleppkosten abhängig gemacht werden.[41] Die Entscheidung hierüber trifft dann aber die zuständige Behörde. Gelegentlich ist auch die Einbeziehung Dritter in das Verfahren der Sicherstellung geregelt.[42] Die Herausgabe des abgeschleppten Fahrzeugs kann jedenfalls dann von der Zahlung der Kosten anhängig gemacht werden, wenn dies landesrechtlich vorgesehen ist.[43]

 

Rz. 23

Soweit das Gesetz kein Zurückbehaltungsrecht vorsieht, wird auf den Rechtsgedanken des § 273 BGB zurückgegriffen. Nach Weber ist dies abzulehnen.[44] Zwar ist anerkannt, dass § 273 BGB, nach dem der Schuldner die geschuldete Leistung verweigern kann, bis die ihm gebührende Leistung bewirkt wird, wenn er aus demselben rechtlichen Verhältnis, auf dem seine Verpflichtung beruht, einen fälligen Anspruch gegen den Gläubiger hat, dem Rechtsgedanken nach auch im öffentlichem Recht anwendbar ist. Die Anwendung dieses Rechtsgedankens muss aber unter Umständen hinter höherrangigem Recht zurücktreten,[45] wie z.B. dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.[46] Die Vorschrift und der ihr zu entnehmende Rechtsgedanke kann dementsprechend außerhalb des öffentlichen Vertragsrechts nicht uneingeschränkt und unbesehen auf öffentlich-rechtliche Beziehungen übertragen werden.[47] Das Zurückbehaltungsrecht muss mit dem Vorbehalt des Gesetzes zu vereinbaren sein (Art. 20 Abs. 3 GG).

 

Rz. 24

So lässt sich ein Rückgriff auf den Rechtsgedanken des § 273 BGB im öffentlichen Recht etwa dann begründen, wenn sich auch die Kostentragungspflicht aus einer entsprechenden Anwendung bürgerlich-rechtlicher Vorschriften ergibt.[48] Im öffentlichen Recht bedarf es ansonsten nämlich grundsätzlich spezieller gesetzlicher Grundlagen für die Verweigerung öffentlich-rechtlicher Leistungen, auf die der Bürger einen Anspruch hat. So kann die Verwaltung z.B. dann, wenn sie verpflichtet ist, einen begünstigenden Verwaltungsakt auf eine Geldleistung zugunsten des Bürgers zu erlassen, nicht trotz Bestehens eines bestandskräftigen begünstigenden Verwaltungsaktes die danach zu erbringenden Leistungen unter Verweis auf ein bürgerlich-rechtlich begründetes Zurückbehaltungsrecht, für das es nach den zugrunde liegenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften keine Grundlage gibt, verweigern. Dies würde nämlich zu einer rechtlich unzulässigen Aufhebung der Wirkung begünstigender Verwaltungsakte, auf deren Erlass der Bürger einen Anspruch hat, führen.[49]

 

Rz. 25

Immerhin beruhen im Abschleppfall aber Anspruch und Gegenanspruch auf demselben rechtlichen Verhältnis, da ein innerlich zusammenhängendes einheitliches Lebensverhältnis zugrunde liegt. Der durch das Abschleppen Betroffene ist als Störer in Anspruch genommen worden, als Störer trifft ihn nun die Kostenfolge. Eine Konnexität der Ansprüche[50] ist gegeben. Hier stellt sich auch nicht die Situation, in der ein begünstigender Verwaltungsakt unter Bezugnahme auf ein Zurückbehaltungsrecht leerlaufen würde. Überhaupt ist nicht erkennbar, inwiefern hier durch die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts Regelungen des VwVfG ausgehebelt würden. Andererseits ist zuzubilligen, dass der Gesetzgeber in den Regelungen über die Sicherstellung das Zurückbehaltungsrecht mit Blick auf den Vorbehalt des Gesetzes gerade normiert hat, um eine Rechtsgrundlage zu schaffen.

 

Rz. 26

Dementsprechend wird die Anwendung des § 273 BGB analog nach Abschleppen unterschiedlich gesehen.[51]

 

Rz. 27

Kommt eine Umsetzung nicht in Betracht und wird das Fahrzeug demzufolge auf einen dafür vorgesehen Verwahrplatz gebracht, so schließt sich an das Abschleppen im Rahmen des Sofortvollzuges oder der unmittelbaren Ausführung als anschließende Folgemaßnahme eine Sicherstellung i.S.d. Polizei- und Ordnungsrechts an.[52] Auf den primären Zweck der Reaktion auf den Verkehrsverstoß durch das Abschleppen folgt als zweite Maßn...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge