Rz. 11

Zieht der Staat private Unternehmer zur Erfüllung ihm obliegender Aufgaben auf privatrechtlicher Grundlage heran, so hängt die Qualifikation der Tätigkeit des Unternehmers als hoheitlich oder nicht hoheitlich von dem Charakter der wahrgenommenen Aufgabe, der Sachnähe der übertragenen Tätigkeit zu dieser Aufgabe und dem Grad der Einbindung des Unternehmers in den behördlichen Pflichtenkreis ab. Je stärker der hoheitliche Charakter der Aufgabe in den Vordergrund tritt, je enger die Verbindung zwischen der übertragenen Tätigkeit und der von der Behörde zu erfüllenden hoheitlichen Aufgabe und je begrenzter der Entscheidungsspielraum des Unternehmers ist, desto näher liegt es, ihn als Beamten im haftungsrechtlichen Sinne anzusehen. Jedenfalls im Bereich der Eingriffsverwaltung kann sich der Staat der Amtshaftung für fehlerhaftes Verhalten seiner Bediensteten nicht dadurch entziehen, dass er die Durchführung einer von ihm angeordneten Maßnahme durch privatrechtlichen Vertrag auf einen privaten Unternehmer überträgt.[21]

Amtshaftungsansprüche (Art. 34 GG, § 839 BGB) gegen die die Abschleppmaßnahme veranlassende Behörde kommen immer dann in Betracht, wenn sie einen unzuverlässigen Abschleppunternehmer nicht sorgfältig ausgewählt hat und wenn infolge dieser verschuldeten Amtspflichtverletzung ein Kfz beim Abschleppvorgang beschädigt wurde.[22]

 

Rz. 12

Der Staat haftet aber auch dann, wenn die Polizei bei der Durchführung der Abschleppmaßnahme so auf den Abschleppunternehmer einwirkt, dass dieser beim Abschleppen nur einen begrenzten Entscheidungsspielraum besitzt und überwiegend den Weisungen der Behörde folgt. Hier können Ansprüche aus Art. 34 GG i.V.m. § 839 BGB bestehen, wenn die Behörde zwar aufgrund privatrechtlichen Vertrages mit einem Abschleppunternehmen dieses im Rahmen eines Werkvertrages zur ordnungsgemäßen Abschleppleistung verpflichtet hat, aber nach wie vor so weitgehend auf die Durchführung der Arbeiten Einfluss genommen hat, dass sie die Arbeiten des Unternehmens wie eigene gegen sich gelten lassen muss ("Werkzeugtheorie").[23]

 

Rz. 13

Der BGH[24] hat in einem solchen Fall davon gesprochen, dass der Unternehmer gleichsam als Erfüllungsgehilfe der Polizei tätig werden kann und zwar nicht nur gegenüber dem Eigentümer des abzuschleppenden Fahrzeugs sondern auch gegenüber Verkehrsteilnehmern, die durch die unsachgemäß durchgeführte Abschleppmaßnahme zu Schaden kommen. Damit ist die Stellung des Unternehmers derjenigen eines Verwaltungshelfers angenähert. Somit handelt in einem solchen Fall der Abschleppunternehmer "in Ausübung eines öffentlichen Amtes" i.S.d. Amtshaftungsrechts und es bestehen Amtshaftungsansprüche gegenüber dem Staat.[25]

 

Rz. 14

Eigentlich geht es aber – unabhängig von der Frage, in welchem Umfang die Behörde auf die Durchführung der Abschleppmaßnahme Einfluss genommen hat – bei der behördlichen Anordnung, das verbotswidrig abgestellte Fahrzeug abzuschleppen, letztendlich um eine behördliche Vollstreckungsmaßnahme, und der Abschleppunternehmer handelt damit bei der Durchführung des Abschleppauftrages hoheitlich.[26] Er ist für die Behörde im Rahmen der Eingriffsverwaltung als deren "Erfüllungsgehilfe" tätig. Seine Beauftragung mit dem Abschleppen des unerlaubt geparkten Fahrzeugs dient der Vollstreckung des in dem – vom Kraftfahrer missachteten – Verkehrszeichen enthaltenen Wegfahrgebots im Wege der Ersatzvornahme.[27] Hätte die Straßenverkehrsbehörde den Abschleppvorgang mit eigenen Mitteln durchgeführt, so stände der hoheitliche Charakter der Maßnahme außer Zweifel. Deren rechtliche Beurteilung als Vollstreckungshandlung kann aber nicht davon abhängen, ob die Vollstreckungsbehörde selbst oder ein Dritter im Auftrag dieser Behörde die Maßnahme durchführt.[28]

 

Rz. 15

Soweit zur Durchführung dieser Maßnahme von staatlichen Organen Dritte herangezogen werden, handeln diese dann auch hoheitlich. Der mit der Durchführung der Maßnahme beauftragte Abschleppunternehmer wird damit stets gleichsam als Erfüllungsgehilfe der Behörde und damit als Beamter im haftungsrechtlichen Sinne tätig.[29] Dass hier zunächst einmal ein privatrechtlicher Vertrag abgeschlossen wurde, spielt insofern keine Rolle. Die Verantwortlichkeit für ein als Amtspflichtverletzung zu beurteilendes Fehlverhalten des Abschleppunternehmers beim Abschleppvorgang trifft dann allein die öffentlich-rechtliche Körperschaft, die ihn beauftragt hat (Art. 34 GG i.V.m. § 839 BGB). Daneben haftet der Abschleppunternehmer grundsätzlich nicht.[30]

 

Rz. 16

Teilweise wird die Annahme, der Unternehmer sei in solchen Fällen "Beamter im haftungsrechtlichen Sinne", abgelehnt.[31] Durch den behördlichen Abschleppauftrag sei kein öffentliches Amt anvertraut worden, sondern lediglich ein Werkvertrag geschlossen worden, den der Unternehmer erfüllen möchte. Dieser Auffassung ist mit Blick darauf, dass es hier letztendlich um eine einheitlich zu beurteilende behördliche Vollstreckungsmaßnahme geht, entgegen zu treten.

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