Rz. 145

Durchgreifende Bedenken gegen die unbesehene Anwendung des Wortlauts von § 14 FeV ergeben sich insbesondere aus der "Cannabis-Entscheidung" des BVerfG[72] aus dem Jahr 2002. Die Aussagen dieser Entscheidung zur Verfassungsmäßigkeit einer Gutachtenanforderung, die auf der Grundlage der damaligen Regelung in § 15b Abs. 2 StVZO erging, können auf die Gutachtenanforderung nach der jetzigen Regelung in § 14 FeV übertragen werden. Danach darf die Feststellung des unerlaubten Besitzes einer kleinen Menge Cannabis für sich allein nicht zum Anlass genommen werden, dem Betroffenen ein fachärztliches Gutachten auf der Grundlage eines Drogenscreenings abzuverlangen. Die abweichende behördliche und fachgerichtliche Praxis bei der Überprüfung von Fahrerlaubnisinhabern beanstandete das BVerfG als Verstoß gegen

die allgemeine Handlungsfreiheit des Betroffenen (Art. 2 Abs. 1 GG),
das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen (Art. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG) und
den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
 

Rz. 146

Ferner stellte das BVerfG klar,[73] dass die Anforderung zur Beibringung eines Drogenscreenings nur dann in Betracht komme, wenn über den bloßen Besitz von Cannabis hinaus konkrete tatsächliche Verdachtsmomente dafür ermittelt worden sind, dass der Betroffene den Konsum von Cannabis und die aktive Teilnahme am Straßenverkehr nicht zuverlässig zu trennen vermag oder zu trennen bereit ist.

 

Rz. 147

Muster 47.10: Einwand gegen Fahrerlaubnisentzug ( Besitz einer geringen Menge Cannabis )

 

Muster 47.10: Einwand gegen Fahrerlaubnisentzug ("Besitz einer geringen Menge Cannabis")

Verwaltungsgericht

_________________________

Kläger _________________________ ./. Beklagte _________________________

Aktenzeichen: _________________________

wegen: Entziehung der Fahrerlaubnis

Namens und im Auftrag des Klägers wird die Klage gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis nunmehr begründet.

Der Kläger reiste am _________________________ nach Deutschland ein. Aufgrund einer polizeilichen Kontrolle wurden fünf Gramm Haschisch[74] bei ihm gefunden. In der Folge erhielt der Kläger eine behördliche Aufforderung, ein Drogenscreening vorzulegen. Dieser Aufforderung ist der Kläger nicht nachgekommen. Mit dem angefochtenen Bescheid vom _________________________ entzog die Beklagte dem Kläger die Fahrerlaubnis und verwies auf die fehlende Fahreignung.

Die Entziehung der Fahrerlaubnis ist rechtswidrig und verletzt den Kläger daher in seinen Rechten, vgl. § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO. Die Beklagte hätte den Kläger nicht als fahrungeeignet behandeln dürfen. Die Nichtvorlage eines Gutachtens rechtfertigt nach § 11 Abs. 8 FeV und der dazu ergangenen Rechtsprechung (BVerwG, Urt. v. 9.6.2005 – 3 C 21/04 – juris Rn 22) nur dann die Annahme der Nichteignung, wenn die behördliche Anforderung des Gutachtens rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig erfolgt ist.

Daran fehlt es hier. Die Straßenverkehrsbehörde der Beklagten hat übersehen, dass nach der BVerfG-Rechtsprechung (Beschl. v. 20.6.2002 – 1 BvR 2062/96, www.bverfg.de) die Vorlage eines Drogenscreenings unzulässig ist, wenn – wie hier beim Kläger – lediglich der Besitz einer geringen Menge Cannabis in Betracht kommt. Zwar mag damit der Tatbestand des § 14 Abs. 1 S. 2 FeV nach seinem Wortlaut erfüllt sein. Die Beklagte hätte aber angesichts der verfassungsrechtlichen Vorgaben spätestens im Rahmen des ihr nach dieser Vorschrift eingeräumten Ermessens davon absehen müssen, ein Drogenscreening zu verlangen. Dabei hätte sie darauf abstellen müssen, dass keinerlei Anhalt dafür besteht, dass der Kläger nicht zwischen drogenkonsumbedingter Fahruntüchtigkeit und dem Führen eines Kfz trennen kann.

[72] BVerfG, Beschl. v. 20.6.2002 – 1 BvR 2062/96 – juris. Ein kostenfreier Abruf ist über die Interseite des BVerfG (www.bverfg.de) möglich.
[73] BVerfG, a.a.O.
[74] Sachverhalt nach BVerfG a.a.O.

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