Rz. 11

Die Rechtsprechung zu den vielen, im Straßenverkehr einzuhaltenden Sorgfaltspflichten ist zu umfangreich, als dass man sie im Rahmen dieses Buches auch nur im Ansatz darstellen könnte. Insoweit darf deshalb auf die Kommentare zum Straßenverkehrsrecht[1] verwiesen werden.

Auf die häufigsten in der Praxis vorkommenden drei Unfallvarianten soll nachfolgend jedoch kurz eingegangen werden:

[1] Burmann/Hess/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, 22. Aufl. 2012; Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 41. Auflage 2011.

a) Fahren auf Sicht

 

Rz. 12

Bei vielen, vor allem nächtlichen Unfällen kommt dem in § 3 Abs. 1 S. 4 StVO normierten Gebot des Fahrens auf Sicht entscheidende Bedeutung zu. Die Sichtweite gibt dem Kraftfahrer, unabhängig von der jeweils durch Verkehrszeichen angeordneten, die in der konkreten Situation höchstzulässige Geschwindigkeit vor. Es darf nur so schnell gefahren werden, dass ein Anhalten innerhalb des überschaubaren Bereiches jederzeit möglich ist. Freilich gilt auch hier der Vertrauensgrundsatz.

 

Rz. 13

Besondere Bedeutung bekommt das Gebot, auf Sicht zu fahren, in der Dunkelheit. So bleibt der Kraftfahrer bei nächtlichen, außerörtlichen Fußgängerunfällen meistens an dem Vorwurf hängen, er sei nicht auf Sicht gefahren. Welch hohe Anforderungen die Rechtsprechung insoweit stellt, zeigt z.B. die Entscheidung des OLG Köln (VersR 2003, 219), die eine bei Dunkelheit mit Abblendlicht auf gerader, aber regennasser Landstraße gefahrene Geschwindigkeit von mehr als 40 km/h als Verstoß gegen das Sichtfahrgebot ansieht, oder die Tatsache, dass selbst derjenige, der in Ansehung des eingeschalteten Fernlichts eine durchaus zulässige Geschwindigkeit fährt, dann aber wegen eines entgegenkommenden Fahrzeuges abblenden muss oder von diesem geblendet wird, sofort sein Fahrzeug so stark verlangsamen bzw. ggf. abbremsen muss, dass er innerhalb der vorher als frei erkannten Strecke anhalten kann (BGH NJW 1976, 288), Weiteres dazu nachfolgend (siehe § 48 Rdn 22 ff.).

b) Abkommen von der Fahrbahn

 

Rz. 14

Viele Richter sehen bereits in der Tatsache, dass ein Fahrzeugführer in einer Kurve von der Fahrbahn abgekommen ist, einen Schuldbeweis; sie meinen, sein Verschulden liege darin, dass er eben mit einer der Kurvenführung nicht angepassten zu hohen Geschwindigkeit gefahren sei. Das reicht als Begründung jedoch nicht aus. Vielmehr muss das Gericht insbesondere Feststellungen zur Fahrbahnbreite, zum konkreten Fahrbahnverlauf vor und am Ort der Kollision, zur Kurvengeschwindigkeit, zur Erkennbarkeit der Situation sowie zu der vom Angeklagten tatsächlich gefahrenen Geschwindigkeit treffen (OLG Hamm zfs 2002, 306).

c) Trunkenheitsfahrt und Kausalität

 

Rz. 15

Der BGH stellt in ständiger Rechtsprechung (BGH DAR 2013, 88) im Falle einer Trunkenheitsfahrt für die Frage der Vermeidbarkeit nicht darauf ab, ob der Unfall für den Fahrer im nüchternen Zustand vermeidbar war, sondern allein darauf, ob er bei Einhaltung einer seiner alkoholbedingt herabgesetzten Wahrnehmungs- und Reaktionsfähigkeit angepassten Geschwindigkeit den Unfall hätte vermeiden können. Nach dieser Rechtsprechung haftet der Trunkenheitsfahrer somit für einen Unfall, den er im nüchternen Zustand nicht hätte vermeiden können.[2]

[2] Zur Kritik an dieser Rechtsprechung siehe Foth, DAR 2013, 276.

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