Rz. 37

Es entspricht der Rechtsprechung des BVerwG, dass es der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht gebietet, nach dem Halter bzw. Fahrer des ordnungswidrig parkenden Fahrzeugs zu forschen und ihm Gelegenheit zu geben, sein Kfz freiwillig wegzufahren (Nachforschungsmaßnahmen). Insofern gilt unverändert die Leitlinie, dass bei Unterlassen der Halteranfrage eine Verletzung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann in Betracht kommt, wenn der Fahrer des Kfz ohne Schwierigkeiten und ohne Verzögerung festgestellt und zur Beseitigung des verbotswidrigen Parkens veranlasst werden kann.[91] Eine Abschleppmaßnahme kann so z.B. bei behördlicher Kenntnis und unproblematischer Erreichbarkeit eines Schlüsselinhabers eines Fahrzeugs dann rechtswidrig sein, wenn aufgrund des abzuschleppenden Fahrzeugs hohe Abschleppkosten drohen, eine Behinderung nicht besteht und die Abschleppmaßnahme ohnehin erst deutlich später erfolgen kann.[92]

 

Rz. 38

Ansonsten gilt grundsätzlich: Bereits die ungewissen Erfolgsaussichten und nicht abzusehenden weiteren Verzögerungen stehen einer Nachforschung grundsätzlich entgegen.[93] Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn Adresse und Telefonnummer hinter der Windschutzscheibe angebracht sind.[94] Dies gilt auch trotz Verbreitung der Mobiltelefone.[95]

 

Rz. 39

Andererseits kann das Abschleppen verbotswidrig geparkter Autos aber dann rechtswidrig sein, wenn der Fahrer ohne Schwierigkeiten und ohne Verzögerungen festgestellt und zur Beseitigung der Störung veranlasst werden kann. Wann dies der Fall ist, ist eine Frage des Einzelfalles.[96] Es ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass aus dem hinterlegten Zettel jedenfalls eindeutig hervorgehen muss, dass die Störung auf Anruf zeitnah beseitigt werden kann und dass hierzu auch eine ernsthafte Bereitschaft besteht.[97]

 

Rz. 40

Ein solcher Fall kann aber nur vorliegen, wenn der Fahrer offensichtlich in unmittelbarer Nähe erreichbar ist. Die bloße Möglichkeit, dass er erreicht werden kann, reicht jedenfalls nicht aus.[98]

 

Rz. 41

Wird der Verantwortliche, der z.B. einen konkreten und situationsbezogenen Hinweis auf seine Erreichbarkeit gegeben hat, angerufen, weiß der Einschreitende dennoch in aller Regel nicht, ob (bzw. wann) der Fahrer überhaupt erscheinen wird und dementsprechend wie lange das Auto noch behindernd stehen wird. Da die Nachforschungspflicht für die einschreitenden Bediensteten einen zusätzlichen Aufwand bedeutet und auch die Kontrolle erfordert, ob der Verantwortliche auch tatsächlich erscheint, hat die Rechtsprechung[99] Kriterien entwickelt, die diese Pflichten auf ein zumutbares Maß reduzieren:

in der Regel nur ein Benachrichtigungsversuch
lediglich fünf Minuten Wartezeit ab dem Anruf bis zum Eintreffen des Verantwortlichen und
die Effektivität der polizeilichen Arbeit darf nicht über Gebühr erschwert werden.
 

Rz. 42

Diese Kriterien lassen sich jedoch nicht unverändert auf jeden Fall übertragen, insbesondere nicht auf den Fall, in dem das baldige (Wieder-)Erscheinen des Fahrers bei realistischer Betrachtung sicher ist. Das HambOVG hat schon im Urt. v. 14.8.2001[100] angedeutet, dass es eine Abschleppanordnung in einem Fall für problematisch hält, in dem die baldige Rückkehr des Falschparkers sicher ist: "Auch aus der relativ kurzen Dauer der Störung kann der Kläger nichts für sich herleiten. Denn er macht nicht etwa geltend, dass er den Wagen erkennbar nur für ganz kurze Zeit verbotswidrig habe parken und alsbald zum Fahrzeug zurückkehren wollen. Vielmehr ist gerade aus dem Umstand, dass er jenen Zettel ausgelegt hatte, zu schließen, dass er dort für längere Zeit parken wollte und deshalb mit seiner baldigen Rückkehr nicht zu rechnen war."

 

Rz. 43

Für die Beantwortung der Frage, ob eine baldige Rückkehr des Falschparkers sicher ist, ist nicht entscheidend, ob mit der Rückkehr der Klägerin nach spätestens exakt fünf Minuten zu rechnen ist, wenn die baldige Rückkehr als solche gerade nicht ungewiss sondern sicher ist. Die Dauer der Störung ist z.B. dann nicht unabsehbar, sondern zeitlich erkennbar eng begrenzt, wenn der Fahrer sein Fahrzeug unmittelbar vor dem Kindergarten (verbotswidrig) abstellt, um sein Kind dort abzugeben und wenn er den Polizisten hierüber informiert hat.[101]

 

Rz. 44

Das HambOVG[102] führt dazu aus:

Zitat

"Nach den Notizen des Polizeibediensteten O. hatte die Klägerin ihr Fahrzeug um 8.30 Uhr geparkt. Selbst wenn der um 8.37 Uhr angeforderte Abschleppwagen bereits vor Rückkehr der Klägerin aus dem Kindergarten eingetroffen wäre, wäre die Phase des Falschparkens – absehbar – allenfalls um einige Minuten verkürzt worden. Weiß der einschreitende Bedienstete, dass eine Störung durch die verantwortliche Person, deren Aufenthaltsort er zudem kennt, in Kürze selbst beseitigt wird, so ist es aber in der Regel nicht mehr verhältnismäßig, wenn durch das Abschleppen des Fahrzeugs die Störung/Behinderung erkennbar allenfalls um einige Minuten verkürzt werden kann. Dies muss selbst dann gelten, wenn sich eine Störerin wie hie...

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