A. Verkehrszeichen als Dauerverwaltungsakt/Verkehrseinrichtung

I. Rechtsnatur und Vollstreckbarkeit; Wegfahrgebot

 

Rz. 1

Verkehrszeichen sind Gefahrenzeichen, Vorschriftzeichen und Richtzeichen (§ 39 Abs. 2 S. 2 StVO). Auch Zusatzzeichen sind Verkehrszeichen (§ 39 Abs. 3 StVO), ebenso Markierungen und Radverkehrsführungsmarkierungen (§ 39 Abs. 5 StVO). Es gelten §§ 40 StVO i.V.m. Anlage 1, 41 StVO i.V.m. Anlage 2, 42 StVO i.V.m. Anlage 3 zur StVO. Bei Verkehrszeichen, die ein Gebot oder Verbot beinhalten, handelt es sich nach h.M. um Dauerverwaltungsakte in Form der Allgemeinverfügung (§ 35 S. 2 VwVfG).[1]

Da ein Widerspruch gegen diese Verkehrszeichen gem. § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 VwGO analog keine aufschiebende Wirkung nach sich zieht (vgl. dazu auch § 41 Rdn 33 ff.),[2] sind diese Gebote und Verbote auch sofort vollziehbar und vollstreckungsfähig. Insoweit beinhalten sie für nichtberechtigte Fahrzeuge neben diesem Verbot gleichzeitig ein sofortiges Wegfahrgebot, das sofort vollziehbar ist und auch vollstreckt werden kann.[3] Daraus folgt, dass in diesen Fällen ein verbotswidrig abgestelltes Fahrzeug grundsätzlich ohne eine besondere, dem Fahrzeugführer oder -halter bekannt zu machende Verbotsverfügung abgeschleppt werden kann.[4]

Handelt es sich dagegen lediglich um einen sog. Hinweis (z.B. das Verkehrszeichen 357 "Sackgasse"), dann liegt kein Verwaltungsakt vor, weil hier der regelnde Charakter gerade fehlt.[5]

 

Rz. 2

Nach der Rechtsprechung des BVerwG kommt Verkehrseinrichtungen der Charakter von Verwaltungsakten dann zu, wenn mit ihnen eine selbstständig regelnde Wirkung beabsichtigt ist und diese auch von ihnen erkennbar ausgeht.[6]

 

Beispiele

Lichtzeichenanlage, von der durch Abgabe von Wechsellichtzeichen (vgl. § 37 StVO) verkehrsregelnde Maßnahmen ausgehen.[7]
Parkuhren und Parkscheinautomaten besitzen einen Regelungsgehalt im Sinne eines VA. Sie beinhalten ein immanentes Wegfahrgebot nach Ablauf der Parkzeit oder sofern sie von Anfang an nicht bedient wurden.[8]
 

Rz. 3

Die Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen finden sich in den Anlagen zur StVO:

§ 40 StVO regelt die Gefahrenzeichen, wobei sich die allgemeinen und besonderen Gefahrenzeichen aus der Anlage 1 zur StVO ergeben.
§ 41 StVO regelt die Vorschriftzeichen. Danach hat jeder Verkehrsteilnehmer die durch Vorschriftzeichen nach Anlage 2 zur StVO angeordneten Ge- oder Verbote zu befolgen, § 41 Abs. 1 StVO.
§ 42 StVO regelt die Richtzeichen. Jeder Verkehrsteilnehmer hat die durch Richtzeichen nach Anlage 3 zur StVO angeordneten Ge- oder Verbote zu befolgen, § 42 Abs. 2 StVO.
§ 43 StVO regelt die Verkehrseinrichtungen. Diese ergeben sich aus Anlage 4 zur StVO, § 43 Abs. 3 S. 1 StVO.
[1] H.M., vgl. z.B. BVerwG, Urt. v. 6.4.2016 – 3 C 10.15, Rn 16 m.w.N.; BayVGH, Urt. v. 12.4.2016 – 11 B 15.2180, Rn 16. Vgl. ferner: BVerwG zfs 2011, 53; BVerwG zfs 2011, 234, 235; BVerwGE 59, 221, 226; BVerwG NJW 1978, 656; NVwZ 1988, 623; NJW 1980, 1640; zfs 1997, 196 = NJW 1997, 1021.
[2] Statt vieler Kopp/Schenke, § 80 Rn 64.
[3] BVerwG, Urt. v. 9.4.2014 – 3 C 5.13, Rn 13, zfs 2014, 474 = NZV 2014, 589; BVerwG zfs 1994, 189 f.; 1997, 196, 197; OVG Schleswig U. v. 28.2.2000 – 4 L 135/99, DAR 2001, 475.
[4] BVerwG zfs 1994, 189, 190.
[5] VGH BW VBlBW 1994, 415 = zfs 1994, 472.
[6] Vgl BVerwG DÖV 1988, 694.
[7] Vgl BGH NJW 1987, 1945.
[8] BVerwG DVBl. 1983, 1066; NJW 1980, 850; DÖV 1988, 694 = NVwZ 1988, 623.

II. Wirksamkeit des Wegfahrgebots

 

Rz. 4

Stützt sich die Abschleppmaßnahme auf Verstöße gegen Verkehrsverbote und Verkehrsgebote beinhaltende Verkehrszeichen oder Verkehrseinrichtungen, so müssen diese wirksam sein (zur Wirksamkeit siehe im Einzelnen § 38 Rdn 1 ff.; § 43 Rdn 4).

 

Rz. 5

Auch rechtswidrige Verkehrszeichen sind solange wirksam und beachtlich, solange sie nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt sind, § 43 Abs. 2 VwVfG. Lediglich nichtige Verkehrszeichen sind unwirksam, § 43 Abs. 3 VwVfG (vgl. im Einzelnen § 39 Rdn 96 ff.).

 

Rz. 6

Die materielle Beweislast dafür, dass den Anforderungen des Sichtbarkeitsgrundsatzes für die Aufstellung oder Anbringung der Verkehrszeichen genügt wurde, trägt nach allgemeinen Grundsätzen im Streitfall die Behörde, die daraus Rechtsfolgen herleiten will.[9]

III. Maßnahmen zur Überwachung von Parkverboten

 

Rz. 7

Im Rahmen der Überwachung von Parkverboten sind Reifenmarkierungen am geparkten Kfz durch Kreide zulässig.[10]

[10] VG Freiburg, DAR 1997, 503 = NZV 1998, 47; vgl. auch OVG NRW zfs 2001, 284, 286.

B. Einzelfälle

I. Haltverbote (Zeichen 283 und 286)

 

Rz. 8

Das Abstellen eines Kfz innerhalb eines angeordneten Haltverbotsbereichs stellt einen Verstoß gegen geschriebenes Recht dar. Damit stellt es nicht nur eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit im Sinne der polizeilichen Generalklausel dar, sondern bereits eine eingetretene Störung. Zu ihrer Beseitigung können auf der Grundlage der polizeilichen Generalermächtigung i.V.m. Zwangsmaßnahmen geeignete Maßnahmen getroffen werden, wozu auch das Abschleppen gehört.[11]

[11] Vgl. z.B. OVG Schleswig Urt. v. 28.2.2000 – 4 L 135/99, DAR 2001, 475.

1. Absolutes Haltverbot (Zeichen 283)

 

Rz. 9

Ein Verstoß beinhaltet die Gefahr und Störung der öffentliche...

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