Rz. 22

Das dem präventiven Gefahrenabwehrrecht zugehörende Abschleppen und das dem repressiven Ordnungswidrigkeitenrecht zuzuordnende Bußgeld gehören unterschiedlichen Rechtsgebieten an, für die teilweise unterschiedliche Rechtsgrundsätze gelten. Wird ein Kfz zur ärztlichen Versorgung eines schwerwiegend Verletzten verbotswidrig auf einem Behindertenparkplatz abgestellt, so kann das deswegen eingeleitete Ordnungswidrigkeitenverfahren wegen Vorliegens eines rechtfertigenden Notstandes gemäß § 16 OWiG (vgl. auch § 34 StGB) eingestellt werden. Gleichwohl können das gleichzeitig veranlasste Abschleppen und die Inrechnungstellung der Abschleppkosten aufgrund Polizei- und Ordnungsrechts rechtmäßig sein.[49] Ähnliches gilt, wenn eine Schwangere nach Einsetzen der Wehen verbotswidrig auf einem Behindertenparkplatz parkt, um den sie behandelnden Arzt aufzusuchen. Auch hier können ihr – ungeachtet einer Einstellung des parallel laufenden Bußgeldverfahrens – die Abschleppkosten in Rechnung gestellt werden.[50]

 

Rz. 23

Während im OWiG nämlich Rechtfertigungsgründe beachtlich sind und die Frage des Verschuldens eine Rolle spielt, ist das Polizei- und Ordnungsrecht verschuldensunabhängig; Rechtfertigungsgründe spielen hier grundsätzlich keine Rolle. Im Gefahrenabwehrrecht geht es einzig und allein um die effektive Beseitigung einer Gefahr.[51] Voraussetzung dazu, dass jemand als Verhaltens- oder Zustandsstörer im Sinne des jeweiligen landesrechtlichen Polizei- und Ordnungsrechts in Anspruch genommen werden kann, ist, dass er die Gefahr im Sinne eines Verhaltens- oder Zustandsstörers verursacht hat. Zwar steht die Entscheidung, ob ein Störer polizeirechtlich herangezogen wird, dann im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde. Dabei entspricht es aber in der Regel dem Zweck der dem Abschleppen sowie den Abschleppkosten zugrunde liegenden Ermächtigung und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, den polizeilichen Störer heranzuziehen. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Sachverhalt, der zum Abschleppen geführt hat, ausschließlich der Risikosphäre des Störers und gerade nicht der Sphäre der Allgemeinheit zuzurechnen ist.[52]

[49] VG Saarland, Urt. v. 17.3.1992 – 5 K 60/91.
[50] VG Saarland, Gerichtsbescheid v. 3.8.1999 – 6 K 65/98, zfs 2000, 88.
[51] Haus/Wohlfarth, Rn 373 ff., 388; Haurand/Vahle, Die Verantwortlichkeit im Polizei- und Ordnungsrecht, DVP 2016, 362.
[52] VG Saarland, Urt. v. 17.3.1992 – 5 K 60/91, zfs 1993, 215; 2000, 88; Gerichtsbescheid v. 20.10.1999 – 6 K 296/98; OVG Saarland, Beschl. v. 16.6.1999 – 9 Q 166/98, SKZ 1999, 284 – Ls. Haus/Wohlfarth, Rn 373 ff.

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