Rz. 18
Wie bei § 315c StGB ist der Tatbestand nur dann erfüllt, wenn der Eingriff eine konkrete Gefahr zur Folge hat (siehe § 39 Rdn 29 ff.). An die Feststellung einer konkreten Gefahr i.S.d. § 315b Abs. 1 Nr. 1 StGB sind indessen strenge Anforderungen zu stellen (OLG Hamm NZV 1998, 212). Auch wenn ein "Beinaheunfall" vorliegt, muss die konkrete Gefahr festgestellt werden, allgemeine Erwägungen reichen hierfür nicht aus (BGH DAR 2012, 590; BGH bei Cierniak, DAR 2014, 681; BGH NJW 2019, 615).
Achtung: Polizeisperre
Die Frage, ob ein gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr vorliegt, stellt sich regelmäßig in Fällen der "Polizeiflucht". Instanzgerichte neigen hier oft vorschnell dazu, den Tatbestand zu bejahen. Bedenken hiergegen bestehen namentlich, wenn der Täter den Pkw lediglich als Fluchtfahrzeug benutzt und er von Anfang an die Absicht hat, an dem die Fahrbahn teilweise versperrenden Polizeifahrzeug vorbeizufahren. Dann liegt nämlich mangels Schädigungsvorsatzes ein gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr nicht vor (BGH DAR 2004, 230; BGH BA 51, 113; OLG Hamm NZV 2014, 52).
Einen "Beinaheunfall" verneint der BGH selbst dann, wenn der Täter zwar mit hoher Geschwindigkeit auf ein den Weg versperrendes Polizeifahrzeug zufährt, dieses dann aber im letzten Augenblick den Weg räumt und nicht festgestellt ist, dass dies so kurz vor der Annäherung des Täters geschah, dass von einem Beinaheunfall ausgegangen werden muss (BGH NZV 2016, 345).
Ähnlich auch, wenn der Täter auf einen Polizeibeamten zufährt, diesem aber noch Zeit bleibt, um den Weg freizumachen (BGH STV 2018, 429).
Die Beurteilung ist aus der Sicht eines unbeteiligten Beobachters vorzunehmen (BGH NStZ 2009, 100; BGH NZV 2014, 419).
Darüber hinaus setzt § 315b StGB – wie § 315c StGB auch – die Gefährdung von Personen oder Sachen von bedeutendem Wert und über den Gesetzeswortlaut hinaus auch voraus, dass der fremden Sache auch ein bedeutender Schaden – mindestens 750 EUR – gedroht hat (BGH DAR 2008, 487).
Rz. 19
Achtung: Tötungsdelikt
Kommt das Opfer gar zu Tode, kann Totschlag (BGH DAR 2006, 284) oder, da der Pkw als gemeingefährliches Mittel i.S.d. § 211 Abs. 2 StGB in Frage kommt, Mord (BGH DAR 2007, 526) vorliegen.
Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?
Jetzt kostenlos 4 Wochen testen
Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen