Rz. 165

In der Vergangenheit war zunächst umstritten, ob und ggf. wie sich der anzurechnende Teil der Geschäftsgebühr auf die VKH-Vergütung auswirkt, wenn der Anwalt zunächst außergerichtlich zu den Wahlanwaltsgebühren tätig wird und im späteren gerichtlichen Verfahren dann aber Verfahrenskostenhilfe wegen zwischenzeitlich geänderter Einkommens- und Vermögensverhältnisse beantragt werden muss.

 

Rz. 166

Zum einen wurde die Ansicht vertreten, dass der anzurechnende Teil der Geschäftsgebühr gemäß § 58 Abs. 2 RVG zunächst auf den Teil der Vergütung zu verrechnen ist, für die ein Anspruch gegen die Staatskasse nicht bestand (also z.B. auf die Differenz zwischen den VKH-Gebühren nach der Tabelle zu § 49 RVG und den Wahlanwaltsgebühren nach der Tabelle zu § 13 RVG).[109]

 

Rz. 167

Zum anderen forderten einige Gerichte aufgrund der angesprochenen BGH-Rechtsprechung[110] (siehe § 4 Rdn 161 ff.) eine Anrechnung bei Entstehung (d.h. unabhängig davon, ob die Geschäftsgebühr in Rechnung gestellt und/oder überhaupt gezahlt wurde). Die hierzu ergangene Rechtsprechung[111] dürfte im Hinblick auf die am 5.8.2009 in Kraft getretene Ergänzung des § 55 Abs. 5 RVG hinfällig sein.

 

Rz. 168

Wieder andere Gerichte wollten nur dann eine Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr vornehmen, wenn der Mandant die Geschäftsgebühr auch gezahlt hat (vgl. nachfolgende Beispielrechnung unter Nr. 2):

Zitat

"Die Staatskasse kann sich gegenüber einem aufgrund der Bewilligung von PKH/VKH beigeordneten Rechtsanwalt im Vergütungsfestsetzungsverfahren gemäß § 55 RVG zwar grundsätzlich auf einen vorliegenden Anrechnungstatbestand gemäß Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG berufen, wenn im Verhältnis zwischen dem Beigeordneten und seinem Mandanten für eine vorgerichtliche Tätigkeit über denselben Gegenstand eine Geschäftsgebühr gem. Nr. 2300 VV RVG entstanden ist. Diese Berufung ist der Staatskasse jedoch verwehrt, soweit eine Zahlung des Mandanten auf die anrechenbare zweite Hälfte der vorgerichtlichen Geschäftsgebühr nicht in einem Umfang vorliegt, durch den auch der von der Staatskasse gemäß § 49 RVG zu tragende Teil der Gebühren des beigeordneten Bevollmächtigten getilgt ist."[112]

 

Rz. 169

Einige Gerichte waren der Auffassung dass, wenn überhaupt eine Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr vorzunehmen ist, die Geschäftsgebühr (fiktiv) nach der Tabelle zu § 49 und nicht nach der höheren Tabelle zu § 13 RVG zu berechnen ist (vgl. nachfolgende Beispielrechnung unter Nr. 3).[113] Der Meinung ist grundsätzlich zuzustimmen, denn die Anrechnung einer Geschäftsgebühr nach der Tabelle zu § 13 könnte sonst dazu führen, dass die Verfahrensgebühr, die die Staatskasse zu erstatten hat, "null" beträgt.

 

Rz. 170

Zu guter Letzt gab es auch noch Auffassungen, wie der des OLG Oldenburg, das (sehr anwaltsfreundlich) davon ausging, dass nicht die allgemeine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG anzurechnen sei, sondern lediglich die im Rahmen der Beratungshilfe entstehende (fiktive) Geschäftsgebühr nach Nr. 2503 VV RVG[114]

 

Rz. 171

Durch das Gesetz zur Modernisierung von Verfahren im anwaltlichen und notariellen Berufsrecht, zur Errichtung einer Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft sowie zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung, der Finanzgerichtsordnung und kostenrechtlicher Vorschriften[115] ist ein nicht nur § 15a RVG eingeführt sondern auch § 55 Abs. 5 RVG geändert worden. Beide Bestimmungen, die am 5.8.2009 in Kraft getreten sind, haben große Auswirkungen auf die Frage der Anrechnung einer Geschäftsgebühr im Kostenfestsetzungsverfahren (sowohl beim "Wahlanwalt" als auch beim "VKH-Anwalt"). Vgl. auch § 4 Rdn 160 ff. zu § 15a RVG.

 

Rz. 172

§ 55 Abs. 5 RVG lautet seit dem 5.8.2009 wie folgt:

 

§ 104 Abs. 2 der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. Der Antrag hat die Erklärung zu enthalten, ob und welche Zahlungen der Rechtsanwalt bis zum Tag der Antragstellung erhalten hat. Bei Zahlungen auf eine anzurechnende Gebühr sind diese Zahlungen, der Satz oder der Betrag der Gebühr und bei Wertgebühren auch der zugrunde gelegte Wert anzugeben. Zahlungen, die der Rechtsanwalt nach der Antragstellung erhalten hat, hat er unverzüglich anzuzeigen.

Erhaltene Zahlungen sind im Festsetzungsantrag gegenüber der Staatskasse konkret anzugeben, § 55 RVG. Die bloße Mitteilung des Rechtsanwalts, es habe "keine anrechnungspflichtigen Zahlungen gegeben" reicht nicht aus.[116]

 

Rz. 173

Gesetzesbegründung zu Nummer 6 (Änderung von § 55 Abs. 5 Satz 2 RVG)[117]

Zitat

"Die allgemeinen Vorschriften zur Anrechnung gelten auch für die Vergütung des Rechtsanwalts, der im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordnet oder als Prozesspfleger bestellt ist. Im Antrag auf Festsetzung der aus der Staatskasse zu zahlenden Vergütung ist deshalb auch die Angabe erforderlich, welche Zahlungen auf etwaige anzurechnende Gebühren erfolgt sind und aus welchem Wert diese Gebühren entstanden sind. Damit stehen dem Urkundsbeamten für die Festsetzung der Vergütung alle Daten zur Verfügung, die er benötigt, um...

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