Rz. 44

Dies ist insbesondere im Hinblick auf die weiteren Anforderungen in Art. 8 Abs. 1 und 2 DSGVO misslich, sind diese doch recht unbestimmt und geben bereits Anlass zu erheblichen Diskussionen und Auseinandersetzungen, bevor die Verordnung Geltung beansprucht.[75]

 

Rz. 45

So stellt sich die Frage, wann sich das Angebot eines Dienstes der Informationsgesellschaft "direkt" an ein Kind richtet. Der Verordnungstext schweigt dazu, ebenso wie die Erwägungsgründe. Hier[76] heißt es lediglich, dass der besondere Schutz insbesondere bei Einwilligungen von Kindern für Werbezwecke oder für die Erstellung von Persönlichkeits- oder Nutzerprofilen bei der Nutzung von Diensten, die Kindern direkt angeboten werden, gelten solle. Weiterhin soll eine Einwilligung des Trägers der elterlichen Verantwortung im Zusammenhang mit Präventions- oder Beratungsdiensten, die unmittelbar einem Kind angeboten werden, nicht erforderlich sein. Hieraus lässt sich nur schwer ableiten, wann ein "direktes" Angebot an Kinder vorliegt und wann nicht. Zugegebenermaßen hat der Gesetzgeber darauf verzichtet, die Bestimmungen in Art. 8 DSGVO auf solche Dienste der Informationsgesellschaft zu beschränkten, die sich ausschließlich an Kinder richten. Es könnte daher durchaus vertreten werden, dass sämtliche Angebote, die sich zumindest auch an Kinder richten (können), als "direkte" Angebote i.S.d. Art. 8 Abs. 1 DSGVO aufzufassen sind.[77]

 

Rz. 46

Ein solches Verständnis kann indes zu einer ausufernden Anwendung des Art. 8 DSGVO führen und praktisch jeden "Dienstanbieter" i.S.d. Artikels 1 Nummer 1 Buchstabe b der Richtlinie (EU) 2015/1535 in die Verantwortung ziehen. Fraglich bliebe, worauf zur Abgrenzung genau abzustellen ist[78] und wann nicht mehr von einem Angebot gesprochen werden kann, welches sich zumindest auch an Kinder richten kann. So meint man auf den ersten Blick, das Webangebot eines juristischen Fachverlages richte sich an Rechtsanwälte und damit ausschließlich an Erwachsene. Wer jedoch würde ernsthaft behaupten wollen, dass nicht vielleicht auch Jugendliche Interesse an rechtlichen Themen entwickeln und genau aus diesem Grunde das Webangebot des Verlages besuchen könnten. Dies gilt ebenso für zahlreiche andere Angebote im Fernabsatz. Ist also die subjektive Sichtweise des Betreibers eines Dienstes ausschlaggebend und könnte die Anwendung der Bestimmungen in Art. 8 DSGVO dadurch ausgeschlossen werden, dass dies im Zusammenhang mit der Bereitstellung des Dienstes ausdrücklich erklärt wird?[79] Oder soll hier eher eine objektivierte Betrachtung nach dem Grad der Wahrscheinlichkeit oder doch allein die abstrakte Möglichkeit der Nutzung von Diensten durch Kinder maßgeblich sein?

 

Rz. 47

Frenzel[80] führt in diesem Zusammenhang aus, dass der Wortlaut der Norm jedenfalls ausschließe, dass die Regelung auch dann gelten soll, "wenn ein Dienst, der nicht für Kinder und Jugendliche bestimmt ist (z.B. Dating-Apps für Erwachsene)", betroffen ist. Dies spricht eher für eine objektivierte Betrachtung nach dem Grad der Wahrscheinlichkeit, lässt aber auch die Möglichkeit einer subjektiven Betrachtung bestehen. Buchner/Kühling[81] scheinen eher auf die abstrakte Möglichkeit der Nutzung von Diensten durch Kinder abstellen zu wollen. Plath[82] hingegen will Art. 8 DSGVO wohl über die Dienste, die sich ausschließlich an Kinder richten, hinaus nur im Zusammenhang mit der Einholung von Einwilligungen in Werbemaßnahmen oder für die Erstellung von Persönlichkeits- oder Nutzerprofilen allgemein angewendet wissen. Feiler/Forgo[83] wollen nur diejenigen Dienste in den Anwendungsbereich der Norm einbezogen wissen, die "auf noch nicht einwilligungsfähige Personen ausgerichtet" sind. Eine Ausnahme soll aber gelten, wenn der Dienstanbieter konkrete Kenntnis davon hat, dass es sich bei dem Nutzer "um eine noch nicht einwilligungsfähige Person handelt".[84]Schulz[85] favorisiert ebenso eine Beschränkung auf solche Angebote, die sich ausschließlich an Kinder richtet. Er sieht diese als gegeben an, wenn Dienste "gerade oder ausschließlich das kindliche Interesse wecken sollen, zur Interaktion mit dem Kind oder zwischen mehreren Kindern animieren und Hilfestellungen durch Erwachsene jedenfalls nicht zwingend erforderlich sind."[86] Anhaltspunkte sollen dabei insbesondere in einer kindgerechten Sprache oder auch eine entsprechende Kennzeichnung durch den Anbieter sein. Nicht ausreichend soll es daher sein, dass ein Angebot auch "Dienstleistungen oder Waren für Kinder anbietet", solange die Geschäftstätigkeit des Anbieters "offensichtlich nicht auf die direkte Interaktion mit den Minderjährigen selbst ausgerichtet ist."[87]

 

Rz. 48

Es spricht viel dafür, der Anwendung des Art. 8 DSGVO Grenzen zu setzen und – zusammen mit Schulz, Feiler/Forgo und Plath, nur solche Angebote unter den Anwendungsbereich der Norm fallen zu lassen, die sich aus objektiver Sicht eines verständigen Durchschnittsnutzers ausschließlich an Kinder richten. Ein anderes Verständnis der Norm konterkariert den Au...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge