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Gerade in wettbewerblichen Auseinandersetzungen sind – neben den Interessen eines anspruchstellenden Mitbewerbers – oft auch Interessen anderer Markteilnehmer betroffen. Dies gilt insbesondere für die Fälle irreführender geschäftlicher Handlungen,[258] über die sich Unternehmen und Unternehmer im Markt Wettbewerbsvorteile verschaffen oder verschaffen wollen. Aber auch in den Fällen, in denen in sonstiger Weise Verbraucherinteressen berührt werden,[259] können neben den Interessen des Wettbewerbs sonstige Allgemeininteressen betroffen sein. Die UGP-Richtlinie[260] sieht für diese Fälle zwar vor, dass ein Gericht, für den Fall der Feststellung eines solchen Verhaltens (auf Antrag) die Veröffentlichung eines Urteils anordnen kann;[261] hiervon wird in der Praxis jedoch nur selten Gebrauch gemacht. Dies soll nicht bedeuten, dass Fälle derartiger "Bekanntmachungen" über wettbewerbliche Verfahren nicht existieren; sie erfolgen lediglich zumeist ohne entsprechende gerichtliche Anordnung. Unabhängig von der Frage der wettbewerbsrechtlichen Zulässigkeit derartiger Handlungen,[262] mit der Mitbewerber zunächst ein eigenes geschäftliches Interesse verfolgen, kann der Gang an die Öffentlichkeit zugleich auch ein Informationsinteresse der Öffentlichkeit befriedigen. Dies gilt insbesondere dort, wo grundlegende Verbraucherinteressen von einer Wettbewerbshandlung betroffen sind. In einem solchen Fall können auch derartige Interessen in die datenschutzrechtliche Abwägung einer Verarbeitung nach Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO einzustellen sein.

[258] Art. 6, 7 UGP-RICHTLINIE 2005/29/EG, Amtsblatt der EG ABl L 149/2 vom 11.6.2005; §§ 5, 5a UWG.
[259] Art. 5 Abs. 2 lit. a, 8, 9 UGP-RICHTLINIE 2005/29/EG, Amtsblatt der EG ABl L 149/2 vom 11.6.2005; §§ 3a, 4a, 7 UWG.
[260] Art. 11 Abs. 2 UGP-RICHTLINIE 2005/29/EG, Amtsblatt der EG ABl L 149/2 vom 11.6.2005; § 12 Abs. 3 UWG.
[261] Für diesen Fall würde zugunsten des veröffentlichenden Mitbewerbers eine rechtliche Befugnis streiten, Art. 6.
[262] Im Ergebnis dürften sich diese in den meisten Fällen als unzulässig erweisen. Es gilt der Grundsatz, dass ein Mitbewerber regelmäßig kein schützenswertes wettbewerbliches Interesse daran hat, Dritte über wettbewerbliche oder rechtliche Probleme mit einem Konkurrenten zu unterrichten, vgl. BGH NJW 1968, 1419 = GRUR 1968, 645, 647 – Pelzversand; OLG Koblenz WRP 1989, 43; OLG Karlsruhe WRP 1989, 40; Köhler, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 34. Aufl. 2016, § 4 Rn 1.16. Generell lässt sich vielmehr sagen, dass es nicht Sache eines Unternehmers ist, öffentliche Angriffe gegen das Geschäftsgebaren eines unmittelbaren Wettbewerbers zu führen, selbst wenn er damit auch Interessen seiner Branche wahrnimmt, Köhler, a.a.O, § 4 Rn 1.21. Für eine öffentliche Kritik muss ein hinreichender Anlass, nämlich ein schutzwürdiges Aufklärungsinteresse der angesprochenen Verkehrskreise, vorliegen und sie muss sich nach Art und Maß im Rahmen des Erforderlichen oder sachlich Gebotenen halten, BGH GRUR 2012, 74 Rn 37 – Coaching-Newsletter; OLG Köln WRP 2011, 779, 780); siehe auch: EGMR, Urt. v. 8.1.2007 – 18397/03 – Androhung der Bloßstellung eines Unternehmens in einem Massenblatt zwecks Durchsetzung von Ansprüchen des Mandanten.

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