Rz. 39

Ereignet sich ein Verkehrsunfall im zeitlichen und räumlichen Zusammenhang mit einem Fahrstreifenwechsel spricht der Anscheinsbeweis dafür, dass der den Fahrstreifen wechselnde Fahrzeugführer in schuldhafter Weise gegen die Vorschrift des § 7 Abs. 5 StVO verstoßen hat. Ein Indiz für einen solchen engen zeitlichen und räumlichen Zusammenhang ist eine schräge Kollisionsstellung[30] eines Unfallbeteiligten bzw. gar ein seitlicher Anstoß.

 

Rz. 40

Muster 4.13: Anscheinsbeweis und Fahrstreifenwechsel

 

Muster 4.13: Anscheinsbeweis und Fahrstreifenwechsel

Ereignet sich ein Unfall im unmittelbaren zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit einem Fahrstreifenwechsel, spricht gegen den Fahrstreifenwechsler der Beweis des ersten Anscheins, der einen schuldhaften Verstoß gegen § 7 Abs. 5 StVO begründet (OLG Düsseldorf, Urt. v. 17.5.2011 – I 1 U 132/10 = Schaden-Praxis 2012, 66; OLG Hamm, Urt. v. 13.5.2009 – 13 U 106/08 = NJW-RR 2009, 1624; OLG Brandenburg, Urt. v.21.6.2007 – 12 U 2/07 und OLG München, Urt. v. 1.12.2006 – 10 U 4707/06 – juris). Den strengen Sorgfaltsanforderungen des § 7 Abs. 5 StVO bei einem Fahrstreifenwechsel genügt ein Fahrer nur dann, wenn er vor dem Fahrstreifenwechsel in Innen- und Außenspiegel schaut, sich mit einem Schulterblick umsieht und den Wechsel mittels des Fahrtrichtungsanzeigers rechtzeitig anzeigt sowie bei dem anschließenden Fahrstreifenwechsel die Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausschließt. Kann er den gegen ihn sprechenden Anscheinsbeweis nicht erschüttern, haftet der Fahrstreifenwechsler aufgrund seines überragenden Fehlverhaltens grundsätzlich alleine und die Betriebsgefahr des anderen Fahrzeuges tritt dahinter vollständig zurück (OLG Hamm, Beschl. v. 27.10.2014 – I 9 U 60/14 – juris; OLG Jena, Urt. v. 8.12.2005 – 1 U 474/05 = NZV 2006, 147; OLG Hamm, Urt. v. 16.11.2004 – 9 U 110/04 = DAR 2005, 285).

 

Rz. 41

Eine besondere Konstellation liegt vor, wenn der Unfall sich im Zusammenhang mit einem Fahrstreifenwechsel vor dem Hintergrund der Verengung von zwei auf eine Fahrbahn ereignet. Auch hier spricht der Anscheinsbeweis aber erst einmal zu Lasten des Fahrstreifenwechslers.

 

Rz. 42

Muster 4.14: Anscheinsbeweis bei Fahrstreifenwechsel und Fahrbahnverengung

 

Muster 4.14: Anscheinsbeweis bei Fahrstreifenwechsel und Fahrbahnverengung

Ereignet sich ein Unfall im unmittelbaren zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit einem Fahrstreifenwechsel, spricht gegen den Fahrstreifenwechsler der Beweis des ersten Anscheins, der einen schuldhaften Verstoß gegen § 7 Abs. 5 StVO begründet (OLG Hamm, Beschl. v. 27.10.2014 – I 9 U 60/14 – juris; OLG Düsseldorf, Urt. v. 17.5.2011 – I 1 U 132/10 = SP 2012; OLG Hamm, Urt. v. 13.5.2009 – 13 U 106/08 = NJW-RR 2009, 1624). Dies gilt auch dann, wenn der Fahrstreifenwechsler bei einer Engstelle erfolgt (OLG Düsseldorf, Urt. v. 22.7.2014 – I 1 U 152/13 = Schaden-Praxis 2015, 4; LG Berlin, Urt. v. 11.6.2003 – 3 C 190/03 = SP 2003, 301; LG Darmstadt, Urt. v. 15.3.2001 – 6 S 464/00 – juris). Kann er den gegen ihn sprechenden Anscheinsbeweis nicht erschüttern, haftet der Fahrstreifenwechsler aufgrund seines überragenden Fehlverhaltens grundsätzlich alleine und die Betriebsgefahr des anderen Fahrzeuges tritt dahinter i.d.R. vollständig zurück (OLG Hamm, Urt. v. 16.11.2004 – 9 U 110/04 = DAR 2005, 285). Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn der Fahrstreifenwechsel wie hier vor dem Hintergrund einer Engstelle erfolgt ist (KG Berlin, Beschl. v. 19.10.2009 – 12 U 227/08 – juris; AG Essen – Steele, Urt. v. 24.1.2019 – 25 C 106/17 – juris).

 

Rz. 43

Bei Unfällen an Fahrbahnverengungen, an denen das Reißverschlussprinzip gilt, besteht die Besonderheit, dass zu Lasten jedes beteiligten Fahrzeugs aufgrund der örtlich bedingten Enge eine erhebliche Betriebsgefahr bestehen kann. Selbst wenn die andere Seite (insbesondere der den Fahrstreifen wechselnde Fahrer) ein erheblicher Verschuldensvorwurf trifft, wird die Betriebsgefahr des beschädigten Fahrzeugs nur in den seltensten Fällen gänzlich hinter dem Fehlverhalten der anderen Seite zurücktreten.

 

Rz. 44

Muster 4.15: Erhöhte Betriebsgefahr bei Fahrt in der Engstelle

 

Muster 4.15: Erhöhte Betriebsgefahr bei Fahrt in der Engstelle

Kommt es an einer Stelle der Fahrbahn, an der sich diese auf einen Fahrstreifen verengt und die vor den Unfallbeteiligten fahrenden Verkehrsteilnehmer das Reißverschlussverfahren anwenden, zu einer Kollision, ist (unabhängig von einem Verschulden) von einer erhöhten Betriebsgefahr des geradeaus fahrenden Unfallbeteiligten auszugehen, die zu einer Mithaftung von mindestens 30 % (OLG Frankfurt, Urt. v. 8.12.2003 – 16 U 173/03 = zfs 2004, 205; AG Hamburg, Urt. v. 7.7.2005 – 50A C 102/05 = SP 2005, 369) bzw. zumindest 25 % führt (AG Leipzig, Urt. v. 16.1.1997 – 4 C 12906/96 = SP 1997, 387). Dies allein wegen der mit der in die Einfahrt in die Engstelle verbundenen Gefahren (vgl. hierzu OLG Frankfurt, Urt. v. 8.12.2003 – 16 U 173/03 = zfs 2004, 205).

 

Rz. 45

Diese Auffassung ist aber nicht zwingend. Nach einer...

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