Rz. 1

Nach Maßgabe der vorangegangenen Ausführungen stehen dem durch einen Verkehrsunfall Geschädigten wahlweise verschuldensabhängige und verschuldensunabhängige Anspruchsgrundlagen zur Durchsetzung seiner Ansprüche zur Verfügung. Die daraus jeweils resultierende Haftung des Anspruchsgegners ist jedoch nicht per se uneingeschränkt. Zu prüfen ist vielmehr stets, ob sich der Anspruchsteller eine Mithaftung entgegenhalten lassen muss, die zu einer Quotelung der Ansprüche führt.

 

Rz. 2

Hierbei ist zwischen zwei richtungsweisenden Konstellationen zu unterscheiden:

Bei dem Verkehrsunfall wird der Schaden durch zwei Kraftfahrzeuge verursacht. In diesem Fall richtet sich die vorzunehmende Abwägung im "Innenverhältnis" der Kraftfahrzeughalter/-führer nach § 17 Abs. 1 StVG.
Ein Verkehrsteilnehmer, der als "Dritter" weder Kraftfahrzeughalter noch Kraftfahrzeugführer ist, macht selber einen Schadensersatzanspruch geltend bzw. gegen ihn wird ein entsprechender Anspruch auf Schadensersatz erhoben. Hier findet § 17 Abs. 1 StVG keine Anwendung. Vielmehr wird eine – ggf. zu bildende – Haftungsquote allein nach den § 254 BGB, § 9 StVG bestimmt.
 

Rz. 3

Exkurs: Erläuterung des "Blocksatzsystems"

Von besonderer Bedeutung ist für dieses Kapitel des Formularhandbuchs das System des Arbeitens mit knappen sog. Blocksätzen, welche zu bestimmten rechtlichen Fragen der Quotenbildung die jeweils einschlägigen Vorgaben der höchstrichterlichen bzw. obergerichtlichen Rechtsprechung darstellen. Diese immer wiederkehrenden Gesichtspunkte können über die Blocksätze, insbesondere in Schriftsätzen bei einer gerichtlichen Auseinandersetzung, zeitsparend verwendet und an den entscheidenden Stellen arbeitsökonomisch integriert werden. Als Beispiel sei auf einen Unfall abgestellt, bei dem für den Kläger ein Ersatzanspruch bei einem Unfall verfolgt wird, bei dem die Gegenseite unachtsam aus dem fließenden Verkehr nach links in einen Parkplatz eingebogen ist (§ 9 Abs. 5 StVO) und eine Mithaftung wegen des Überholens in einer unklaren Verkehrslage (§ 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO) im Raum steht.

Hier kann der Abschnitt aus der Klage (ggf. auch Klagerwiderung) zu der rechtlichen Beurteilung durch zwei einfache Blocksätze aus dem hiesigen Formularbuch ökonomisch ergänzt und ohne erheblichen Aufwand fertig gestellt werden.

 

Formulierungsbeispiel

[…] In rechtlicher Hinsicht ergibt sich hieraus Folgendes:

1) Der Beklagte zu 1) hat den streitgegenständlichen Verkehrsunfall durch einen schuldhaften Verstoß gegen § 9 Abs. 5 StVO bei seinem Abbiegevorgang aus dem fließenden in den ruhenden Verkehr allein verursacht.

Achtung:

Im gleichen Absatz erfolgt sodann als Muster folgender Blocksatz (Anscheinsbeweis bei Abbiegen nach links in ein Grundstück – Muster 4.47, siehe Rdn 142):

Zitat

Im Wege des Anscheinsbeweises wird ein schuldhafter Verstoß gegen § 9 Abs. 5 StVO zu Lasten desjenigen vermutet, der im zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit dem Verkehrsunfall in ein Grundstück abgebogen ist (OLG Düsseldorf, Urt. v. 2.4.2019 – I 1 U 108/18 – juris; OLG Hamburg, Urt. v. 1.9.2009 – 3 U 36/09 = MDR 2010, 26; KG Berlin, Urt. v. 7.10.2002 – 12 U 41/01 = MDR 2003, 507). Dies insbesondere im Hinblick auf die in § 9 Abs. 1 S. 4 StVO zugrunde gelegte doppelte Rückschaupflicht (OLG Düsseldorf, Urt. v. 2.4.2019 – I 1 U 108/18 – juris; OLG Stuttgart; Urt. v. 4.6.2014 – 3 U 15/14 = Schaden-Praxis 2014, 404 ff.; OLG Naumburg, Urt. v. 12.12.2008 – 6 U 106/08 = VersR 2009, 373). Hierhinter tritt die einfache Betriebsgefahr eines anderen unfallbeteiligten Fahrzeugs zurück (OLG München, Urt. v. 11.6.2010 – 10 U 2282/10 = NJW Spezial 2010, 489; OLG Hamburg, Beschl. v. 20.3.2012 – 15 U 15/12– juris).

Sodann wird der Schriftsatz in einem zweiten Absatz wie folgt weiter aufgebaut:

2) Auf der Klägerseite ist dagegen kein Verschulden festzustellen. […]

Achtung:

An dieser Stelle mag es sich anbieten, folgendes Muster als Blocksatz angesichts des außergerichtlich erhobenen Mithaftungseinwands zu integrieren, um die eigene Position zu festigen (Kein Überholen in einer unklaren Verkehrslage – Muster 4.49, siehe Rdn 146):

Zitat

Es fehlt an einem schuldhaften Verstoß gegen die StVO, insbesondere in Form eines Überholens in einer unklaren Verkehrslage (§ 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO). Einen solchen Verstoß muss derjenige beweisen, der sich hierauf beruft, ohne dass ihm ein Anscheinsbeweis zur Seite steht (OLG Hamm, Urt. v. 7.3.2014 – 9 U 210/13 – juris). Für eine unklare Verkehrslage genügt es nicht, dass das vorausfahrende Fahrzeug langsamer oder zum Fahrbahnrand gelenkt wird (OLG Hamm, Beschl. v. 14.6.2018 – 4 RBs 174/18 = VRR 10/2018, S. 3; KG, Urt. v. 12.7.2010 – 12 U 177/09 – juris; OLG Celle, Urt. v. 18.11.2004 – 14 U 108/04 = MDR 2005, 569), selbst wenn das Fahrzeug bereits zur Fahrbahnmitte orientiert wird (OLG Naumburg, Urt. v. 12.12.2008 – 6 U 106/08 = VersR 2009, 373). Vielmehr ist erforderlich, dass der Abbiegende erstens überhaupt und zweitens rechtzeitig seinen Blinker gesetzt hat (KG Berlin, Urt. v. 4.1.2006 –...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge