Rz. 205

Erfasst ein Kraftfahrer einen Fußgänger bei der Überquerung einer Fußgängerfurt, liegt i.d.R. ein Verstoß des Kraftfahrzeugführers gegen eine Kardinalpflicht im Straßenverkehr vor, da er das Vorrecht des Fußgängers aus § 26 StVO missachtet hat, die zu seiner alleinigen Haftung führt.

 

Rz. 206

Ist für den Kraftfahrzeugführer nach den Gesamtumständen[270] erkennbar, dass sich ein Fußgänger dem Fußgängerüberweg mit der Absicht nähert, diesen zu betreten, hat der Kraftfahrer nach § 26 StVG mit mäßiger Geschwindigkeit heranzufahren, das Überqueren zu ermöglichen und ggf. zu warten.[271] Verstößt er hiergegen, kann dies die alleinige Haftung des Kraftfahrers begründen.[272] Diese besonderen Sorgfaltspflichten werden jedoch noch nicht ausgelöst, wenn der Fußgänger sich parallel zu dem Übergang bewegt, der sich in einem rechten Winkel zu dem Fußgänger befindet.[273] Ausreichend kann jedoch bereits das zügige Zugehen auf den Fußgängerüberweg sein; bereits bei dem geringsten Zweifel ist dem Fußgänger Vorrang zu gewähren.[274]

 

Rz. 207

Muster 4.72: Haftung des Fahrzeugführers bei Verstoß gegen § 26 StVO

 

Muster 4.72: Haftung des Fahrzeugführers bei Verstoß gegen § 26 StVO

Der Unfall ereignete sich vorliegend im Bereich eines Fußgängerüberweges. Ein herannahender Kraftfahrzeugführer hat deshalb in der Umgebung befindliche Fußgänger genau zu beobachten. Wenn – wie hier – ersichtlich ist, dass ein Fußgänger den Überweg überqueren will, hat der Kraftfahrzeugführer mit mäßiger Geschwindigkeit heranzufahren, das Überqueren zu ermöglichen und ggf. zu warten (BGH, Urt. v. 20.4.1966 – III ZR 184/64 = NJW 1966, 1211). Bereits bei dem geringsten Zweifel ist dem Fußgänger Vorrang zu gewähren (KG Berlin, Beschl. v. 10.10.1991 – 2 Ss 113/91 – 3 Ws (B) 145/1 = NZV 1992, 40). Verstößt der Fahrer hiergegen, begründet dies seine alleinige Haftung (KG Berlin, Urt. v. 3.6.2004 – 12 U 68/03 = DAR 2004, 699). Dies insbesondere, wenn – wie hier – _________________________.

 

Rz. 208

Im Bereich eines Fußgängerüberweges ist allerdings zu berücksichtigen, dass der Fußgänger sich (wie auch der Kraftfahrzeugführer) nicht uneingeschränkt auf den Vertrauensgrundsatz berufen kann.[275] Er hat daher den Überweg und die herannahenden Kraftfahrzeuge sorgfältig zu beobachten[276] und darf nicht "im blinden Vertrauen" auf den Fußgängerüberweg treten. Verstößt der Fußgänger erwiesenermaßen gegen diese Sorgfaltspflicht, trifft ihn ein Mitverschulden, welches mit 20 %[277] bzw. 25 %[278] zu berücksichtigen sein kann. Kein Mitverschulden liegt aber vor, wenn der Fußgänger die Fahrbahn zu einem Zeitpunkt betritt, zu dem sich das herannahende Fahrzeug noch in einer Entfernung von 70m befand.[279]

[270] BGH, Urt. v. 9.4.1965 – 4 StR 147/65 = NJW 1965, 1236; KG Berlin, Beschl. v. 10.10.1991 – 2 Ss 113/91 – 3 Ws (B) 145/1 = NZV 1992, 40.
[274] KG Berlin, Beschl. v. 10.10.1991 – 2 Ss 113/91 – 3 Ws (B) 145/1 = NZV 1992, 40.
[275] OLG Hamburg, Urt. v. 12.1.1966 – 1 Ss 76/65 = DAR 1966, 251.
[276] BGH, Urt. v. 8.6.1982 – VI ZR 260/80 = NJW 1982, 2384.
[277] OLG Celle, Urt. v. 5.6.2000 – 14 U 220/99 = NZV 2001, 79.
[278] KG Berlin, 20.5.1976 – 12 U 325/76 =VersR 1977, 1008.
[279] BGH, Urt. v. 8.6.1982 – VI ZR 260/80 = NJW 1982, 2384.

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