Rz. 3

Anspruchsinhaber sind die Personensorgeberechtigten, d.h. in der Regel die Eltern gemeinsam oder ein Elternteil, soweit diesem die Alleinsorge[4] oder das Aufenthaltsbestimmungsrecht zusteht.[5] § 1632 Abs. 1 BGB findet aber auch dann Anwendung, wenn die Eltern über den Aufenthalt des Kindes eine verbindliche Vereinbarung geschlossen haben, ein Elternteil hiervon jedoch eigenmächtig abgewichen ist.[6] Da der Herausgabeanspruch der Personensorgeberechtigung folgt, steht er gemäß §§ 1793 Abs. 1 S. 1, 1800 BGB auch dem Vormund des Kindes[7] sowie einem Pfleger im Rahmen dessen Aufenthaltsbestimmungsrechts gemäß §§ 1909 Abs. 1 S. 1, 1915 BGB zu. Der Antragsteller muss nicht selbst vertretungsberechtigt im Sinne des § 1629 Abs. 1 S. 1 und 2 BGB sein; auch die Vermögenssorge ist für den Anspruch nach § 1632 Abs. 1 BGB unbedeutend.[8]

 

Rz. 4

Die Eltern eines nichtehelich geborenen Kindes können die Herausgabe des Kindes nur dann gemeinsam verlangen, wenn sie zuvor unter den Voraussetzungen des § 1626a Abs. 1 BGB die gemeinsame Sorge herbeigeführt haben.

 

Rz. 5

Wurde einem Elternteil bereits die Personensorge oder zumindest das Aufenthaltsbestimmungsrecht entzogen, etwa nach § 1666 BGB, ist sein Herausgabeverlangen unberechtigt.

 

Rz. 6

Bei Bestehen gemeinsamer elterlicher Sorge müssen gegenüber einem Dritten grundsätzlich beide Elternteile die Herausgabe des Kindes an beide Elternteile verlangen, es sei denn, es besteht Gefahr im Verzug. Ist in diesem Fall ein Elternteil zur Mitwirkung nicht bereit, so kann der antragstellende Elternteil allein die Herausgabe an sich verlangen. Bei Widerspruch des anderen Elternteils wird ein gerichtlich gestellter Herausgabeantrag jedoch abgewiesen.[9] In diesem Fall muss das Familiengericht eine Entscheidung nach § 1628 BGB herbeiführen und einem Elternteil das Alleinentscheidungsrecht über die Herausgabe des Kindes übertragen.[10]

 

Rz. 7

Ist das Kind nach einer Inobhutnahme gemäß § 42 SGB VIII (dazu aus jugendhilferechtlicher Sicht, siehe § 12 Rdn 107 ff.) beim nicht sorgeberechtigten Elternteil untergebracht, so setzt sich diesem gegenüber ein Anspruch des Sorgerechtsinhabers auf Kindesherausgabe nicht durch, da dem Jugendamt aus öffentlichem Recht die Befugnis zusteht, den Aufenthalt des Kindes zu bestimmen,[11] die Inobhutnahme also das Sorgerecht überlagert.

 

Rz. 8

Da der Anspruch auf Herausgabe dem Sorgerecht entspringt, kann er freilich auch ohne gerichtliches Verfahren vollzogen werden, sofern der Herausgabepflichtige – sei es der andere Elternteil, sei es ein Dritter – sich dem Herausgabeverlangen freiwillig beugt. Dies wird häufig bei Dritten – etwa dem Kindergarten oder der Schule des Kindes – der Fall sein. Will der andere, nicht sorgeberechtigte Elternteil verhindern, dass Dritte das Kind an den die Herausgabe begehrenden Elternteil übergeben, muss er eine entsprechende einstweilige Anordnung zum Aufenthaltsbestimmungsrecht für das Kind erwirken. Beruht das Herausgabeverlangen auf einer soeben erlassenen erstinstanzlichen Entscheidung über das Aufenthaltsbestimmungsrecht, so muss der andere Elternteil, um eine freiwillige Herausgabe durch Dritte zu verhindern, gegen die sorgerechtliche Entscheidung Beschwerde einlegen und diese mit einem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung nach § 64 Abs. 3 FamFG verbinden (siehe dazu § 9 Rdn 15). Zwar haben Sorgerechtsentscheidungen, da sie die Rechtslage nur gestalten, keinen vollstreckungsfähigen Inhalt;[12] dies hindert indes nicht die freiwillige Erfüllung des auf der Grundlage des Aufenthaltsbestimmungsrechts rechtmäßig geltend gemachten Herausgabeverlangens durch Dritte.

 

Rz. 9

Wird das Kind dem die Herausgabe verlangenden Elternteil nicht freiwillig übergeben, so bleibt diesem nur der Weg, seinen Herausgabeanspruch gerichtlich geltend zu machen. Wird der Herausgabeanspruch in diesem Verfahren tituliert, so wird diese Entscheidung mit Bekanntgabe wirksam (§ 40 FamFG). Auch wenn der Herausgabepflichtige daher Beschwerde gegen die Herausgabeanordnung einlegt, kann aus dem – nicht rechtskräftigen – Titel vollstreckt werden. Um die Vollstreckung zu vermeiden, bleibt dem Herausgabepflichtigen erneut nur der Weg, mit der Beschwerdeeinlegung einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung nach § 64 Abs. 3 FamFG (siehe § 9 Rdn 15) zu verbinden. Dies geschieht in der Praxis durchaus nicht selten. Das Beschwerdegericht wird eine entsprechende Außervollzugsetzung anordnen, wenn die Herausnahme des Kindes aus seiner bisherigen Umgebung, insbesondere durch Anwendung von Zwangsmitteln, dem Kindeswohl widerspricht. Solange über die Berechtigung des Herausgabetitels noch keine abschließende Klarheit besteht, ist dies nicht selten der Fall. Denn ein mehrfacher Ortswechsel binnen kurzer Zeit kann für das Kind negativere Auswirkungen haben als der längere Verbleib bei einem Elternteil, dem letztlich vielleicht nicht die elterliche Sorge übertragen werden wird.[13] Dem Risiko einer auf diesem Weg möglicherweise "ertrotzten Kontinuität"[14] muss aber durch ...

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