Rz. 138

Die EU hat am 16.2.2011 die Neufassung der Zahlungsverzugsrichtlinie[61] beschlossen, um das Zahlungsverhalten der Schuldner durch weitere Sanktionen zu verbessern. Der Bundesgesetzgeber hat mit dem "Gesetz zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr" am 29.7.2014 die EU-Richtlinie in nationales Gesetz umgesetzt und die Regelung des § 288 Abs. 5 BGB aufgenommen.

Danach hat der Gläubiger einer Entgeltforderung bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale von 40,00 EUR, wobei dies auch gilt, wenn es sich um eine Abschlagszahlung oder sonstige Ratenzahlung handelt. Die Pauschale ist auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.

 

Rz. 139

Zur Anwendung der genannten Vorschrift ist demnach zunächst zu prüfen, ob der Schuldner Verbraucher ist oder nicht. Ist der Schuldner Verbraucher, greift der pauschalisierte Schadensersatz des § 288 Abs. 5 BGB nicht.

 

Rz. 140

 

Hinweis

Der Arbeitgeber ist kein Verbraucher, so dass die Pauschale für jeden Monat anfällt, in dem der Arbeitslohn nicht gezahlt wird. Einer besonderen Mahnung bedarf es zum Verzugseintritt wegen der vertraglichen kalendertäglichen Bestimmung des Zahlungszeitpunktes nicht, § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB.[62]

 

Rz. 141

Entsprechend dem ersten Halbsatz der Bestimmung entsteht der Anspruch mit Eintritt des Schuldnerverzuges gem. § 286 BGB. § 288 Abs. 5 S. 2 BGB regelt ferner, dass dies auch bei Verzug aufgrund Abschlagszahlung oder Ratenzahlung gilt. Daraus rechtfertigt sich der pauschale Schadensersatz auch bei jeweiligem Eintritt des Verzuges z.B. aufgrund folgender Ansprüche:

 

Rz. 142

 

Beispiele

Monatliche Mietzahlungen des gewerblichen Mieters,
Wiederkehrende Ansprüche aus einem gewerblichen Mobilfunkvertrag,
Rückzahlungsansprüche aus einem Darlehensvertrag,
Mitgliedsbeiträge (gewerblich),
Versicherungsbeiträge,
Abschlagsforderungen des Energieversorgers,
Turnusmäßige Ansprüche aus Ratenzahlungsvereinbarung.
 

Rz. 143

Die vom Gesetzgeber gewollte Sanktionswirkung wirkt sich in den vorgenannten Fällen besonders aus, da auf Grundlage desselben Rechtsverhältnisses ein mehrfacher pauschaler Schadensersatz von je 40,00 EUR möglich ist. Diesen geltend zu machen, erhöht damit auch den Vollstreckungsdruck auf den Schuldner.

 

Rz. 144

Die Regelung des § 288 Abs. 5 S. 3 BGB, wonach die Pauschale nach S. 1 auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen ist, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, führt in der Literatur zu unterschiedlichen Auffassungen in der Auslegung.

 

Rz. 145

Nach einer Auffassung[63] ist der pauschale Schadensersatzbetrag nicht nur auf interne Beitreibungskosten, wie Aufwand für Personal- und Bürokosten zur Überwachung der Zahlungen und Mahnungen an den Schuldner, anzurechnen, sondern auch auf externe Rechtsverfolgungskosten wie Anwalts- und Inkassokosten.

Eine solche Anrechnung hätte zur Folge, dass der Schuldner, der erst nach Einschaltung eines RA leistet, den pauschalen Schadensersatz im Endeffekt nicht zahlt, da die RA-Kosten regelmäßig den Betrag von 40,00 EUR übersteigen. Das zögerliche Zahlungsverhalten würde im Verhältnis zu dem Schuldner, der nach der Mahnung des Gläubigers zahlt, eben gerade nicht durch den pauschalen Schadensersatz sanktioniert. Für den Gläubiger bedeutet die Anrechnung auf die externen Rechtsverfolgungskosten, dass er den gewollten Ersatz für seine internen Beitreibungsmaßnahmen nach Anrechnung nicht erstattet bekommt.

Diese Ungleichbehandlung hat der Bundesrat auch gesehen und wollte die Anrechnung der Entschädigungspauschale auf die internen Beitreibungskosten begrenzen.[64] Der Gesetzgeber ist dem jedoch nicht gefolgt und hat die internen und externen Rechtsverfolgungskosten im Hinblick auf die Anrechnung gleichgesetzt. Als Argument wurde angeführt, dass kein Anreiz geschaffen werden soll zur sofortigen Inanspruchnahme externer Rechtsdienstleister.[65]

 

Rz. 146

Im Gegensatz zur Auffassung des Gesetzgebers hinterfragt eine andere Meinung[66] differenziert das Gewollte und den Wortlaut von Art. 6 Abs. 3 der EU-Richtlinie. Danach soll die Schadensersatzpauschale ausschließlich die internen Beitreibungskosten des Gläubigers abdecken. Diese überzeugende Auffassung setzt sich ferner mit der Sinnhaftigkeit der gesetzlichen Regelung in tatsächlicher und ökonomischer Weise auseinander und fokussiert den Zweck der Verbesserung des Zahlungsverhaltens der Schuldner entsprechend den zuvor aufgeführten Argumenten. Der Verfasser dieser Rechtsansicht kommt zu dem Ergebnis, dass die Umsetzung von Art. 6 der Richtlinie 2011/7/EU in nationales deutsches Recht nicht vollständig gelungen ist.

Es bleibt abzuwarten, wie dieser Dissens geklärt werden kann. Letztlich wird der EuGH diese Frage auf Vorlage eines Gerichtes nach Art. 267 AEUV zu entscheiden haben. Wird dies – wegen des Streitwertes – bei einem Amtsgericht streitig, muss das Amtsgericht die Auslegungsfrage dem E...

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