Rz. 1509

Der BGH[928] schließt den Regress nach § 119 SGB X nicht aus, wenn der Verletzte nach dem Unfall in ein anderes Sicherungssystem (z.B. Beamtenpension, berufsständische Versorgung) wechselt. Es ist im Ausgangspunkt der hypothetische pflichtversicherte Weg des (fiktiv zu betrachtenden) Arbeitslebens zu prüfen[929] und dem Anspruch des RVT zugrunde zu legen, um anschließend dann die Kürzung wegen Vorteilsausgleichs vorzunehmen.

 

Rz. 1510

Nimmt der Geschädigte nach dem Unfall eine nicht-rentenpflichtversicherte Tätigkeit auf, sind die hierdurch gewonnenen künftigen Absicherungen im Wege des Vorteilsausgleichs zu verrechnen:

Bei Verbeamtung nach dem Unfall orientiert sich der Vorteilsausgleich an den beim Ausscheiden aus dem Beamtenverhältnis (§ 8 II SGB VI) nachzuentrichtenden Versicherungsbeiträgen. Die Vorteilsanrechnung, die den Regress nach § 119 SGB X kürzt, ist letztlich im Wege sekundärer Darlegungslast vom RVT vorzunehmen.[930]
Entsprechend lässt sich zur Vermeidung einer doppelten Entschädigung des Verletzten der Vorteilsausgleich bestimmen, wenn der Verletzte (z.B. als versicherungsfreier Selbstständiger oder Freiberufler) eine gleichwertige Absicherung in einer berufsständischen Versorgung oder durch eine Lebensversicherung erwirbt.
Macht sich der Verletzte nach dem Unfall selbstständig, ist der Vorteilsausgleich problematisch (u.a. Berücksichtigung des – späteren – Wertes der aufgebauten Firma oder pekuniärer Rücklagen?). Es muss bei späterer Selbstständigkeit zudem der Frage nachgegangen werden, ob der Verletzte nicht auch ohne den Unfall der Beitragspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung entgangen wäre.
 

Rz. 1511

Wichtig ist folgender Aspekt: Wäre der Geschädigte nach der hypothetischen Betrachtung weiterhin in einem abhängigen rentenversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis geblieben und kann der Rentenversicherer erfolgreich Regress auch nach § 119 SGB X Regress nehmen, bleiben die rentenrechtlichen Voraussetzungen für eine Rentengewähr (z.B. Erwerbsminderungsrente) aufrecht erhalten (siehe auch Rn 1713).

 

Rz. 1512

Bei der Abrechnung des Verdienstausfalles mit dem Verletzten ist zu bedenken, dass dieser durch den Beitragsregress Ansprüche auf Erwerbsminderungsrente (die Vorversicherungszeiten bleiben erfüllt; siehe Rn 1710 f.) haben kann, jedenfalls aber einen Anspruch auf Altersrente erwirbt. Sofern Vorsorgeaufwendungen vom Verletzten ersetzt verlangt werden, ist die Wechselwirkung mit dem Beitragsregress nach § 119 SGB X zu beachten.

[928] BGH v. 18.12.2007 – VI ZR 278/06 – BGHReport 2008, 435 = DAR 2008, 200 (nur Ls.) = FamRZ 2008, 685 = MDR 2008, 383 = NJW 2008, 1961 = NJW-Spezial 2008, 137 = NZV 2008, 392 = r+s 2008, 174 = SP 2008, 141 = VersR 2008, 513 = VRS 114, 223 = zfs 2008, 261 (Bei Verbeamtung nach dem Unfall orientiert sich der Vorteilsausgleich an den beim Ausscheiden aus dem Beamtenverhältnis – § 8 II SGB VI – nachzuentrichtenden Versicherungsbeiträgen. Die Vorteilsanrechnung, die bereits den Regress nach § 119 SGB X kürzt, ist letztlich im Wege sekundärer Darlegungslast vom RVT vorzunehmen.) (Vorinstanz OLG Stuttgart v. 7.9.2006 – 13 U 49/06 – OLGR 2006, 924 = r+s 2007, 127 hatte den Regress nach § 119 SGB X noch abgelehnt bei unfallkausaler Aufnahme in ein Beamtenverhältnis).
[929] Siehe auch BGH v. 24.4.2012 – VI ZR 329/10 – GesR 2012, 475 = jurisPR-SozR 13/2012 Anm. 6 (Anm. Dahm) = jurisPR-VerkR 14/2012, Anm. 2 (Anm. Jahnke) = MDR 2012, 840 = NJW 2012, 3639 (Anm. Giesen NJW 2012, 3609) = NJW-Spezial 2012, 394 = NZS 2012, 752 (nur Ls.) = NZV 2012, 577 (Anm. Dahm NZV 2012, 575) = r+s 2012, 414 = SP 2012, 284 = VersR 2012, 924 = VRS 123, 167.
[930] BGH v. 18.12.2007 – VI ZR 278/06 – BGHReport 2008, 435 = DAR 2008, 200 (nur Ls.) = FamRZ 2008, 685 = MDR 2008, 383 = NJW 2008, 1961 = NJW-Spezial 2008, 137 = NZV 2008, 392 = r+s 2008, 174 = SP 2008, 141 = VersR 2008, 513 = VRS 114, 223 = zfs 2008, 261.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge