Rz. 1577

 

Beispiel 4.17

(Der Fall ist simplifiziert.)[992]

Für das Haftungsgeschehen, bei dem A verletzt wird, ist X (versichert beim Haftpflichtversicherer V) zu 100 % verantwortlich.

A bezieht ab dem 55. Lebensjahr eine Voll-Erwerbsminderungsrente (VEM-Rente) der DRV i.H.v. 1.000 EUR. Mit Eintritt in die Regelaltersrente erhält AS dann eine Altersrente i.H.v. 900 EUR.

A (ledig, keine Kirchensteuerpflicht) hätte ohne den Unfall ein rv-pflichtiges Einkommen (brutto) von 2.116 EUR gehabt. Hiervon hätte A (RV-Beitragssatz[993] 18,9 %) monatlich 400 EUR an RV-Beiträgen an die DRV abzuführen gehabt. Nach Abzug von Steuern und SV-Abgaben wäre dem A ein Nettogehalt von 1.436 EUR verblieben.

V reguliert den Schadenfall.

Ergebnis:

A.

Situation bis zum Altersrentenbezug

I.

Beziehung A – DRV (Rentenversicherungsverhältnis)

1. Rentenbezug

A bezieht eine VEM-Rente i.H.v. 1.000 EUR.

2. Beitragseinzug

Aufgrund des Treuhandverhältnisses (siehe Rn 1552 ff.) zwischen A und DRV zieht diese die dem A während der Zeit der Erwerbsminderung unfallkausal entgehenden RV-Beiträge ein.

II.

Beziehung Schädiger – DRV (Regressverhältnis)

1. § 116 SGB X

V erstattet der DRV die von ihr gezahlte VEM-Rente i.H.v. 1.000 EUR.

2. § 119 SGB X

V zahlt an DRV die ihr entgehenden RV-Beiträge nach einen fiktiv ermittelten rv-pflichtigen Einkommen des A i.H.v. 2.116 EUR (konkret 400 EUR).

3. Ergebnis

DRV hat keine Belastung. Die VEM-Rente wird ihr erstattet, zusätzlich wird das Beitragskonto geführt als ob A noch arbeiten würde.

III.

Beziehung A – Schädiger (Schadenersatzverhältnis)

1. Minderverdienst

V ersetzt A seinen nach Abzug der VEM-Rente verbliebenen Nettoschaden von 436 EUR.

2. RV-Abgabe

Das Rentenbeitragskonto des A wird vom Treuhänder (DRV) bis zum Eintritt in die Altersrente so weitergeführt, als ob der Unfall nie geschehen wäre.

3. Ergebnis

A hat keinen Restschaden.

B.

Situation ab dem Altersrentenbezug

I.

Beziehung A – DRV (Rentenversicherungsverhältnis)

1. Rentenbezug

A bezieht eine Altersrente i.H.v. 900 EUR, die allerdings von der DRV unter Hinweis auf die vorher gezahlte VEM-Rente gekürzt ist.

2. Ergebnis

A hat einen Verdienstausfallschaden (Minderung der Altersrente) i.H.v. 100 EUR.

Grund für die Einbuße ist die Rentenformel. Der vorangegangene VEM-Rentenbezug führt zum einen zu einem Abschlag beim Zugangsfaktor, zum anderen zu einer Berücksichtigung von Zurechnungszeiten bei den persönlichen Entgeltpunkten.

II.

Beziehung Schädiger – DRV (Regressverhältnis)

1. § 116 SGB X

Sobald A eine Regelaltersrente bezieht, entfällt der Regress der DRV nach § 116 SGB X. Schließlich sind für diese Leistung vorher adäquate Gegenleistungen (in Form von vorangegangenen RV-Versicherungsbeiträgen) entrichtet worden.

2. § 119 SGB X

Mit Erreichen der Regelaltersrente hätte A keine RV-Beiträge mehr abgeführt. Damit entfällt mangels Schaden der Regress nach § 119 SGB X.

III.

Beziehung A – Schädiger (Schadenersatzverhältnis)

1. Altersrentenschaden

V hat künftige Einbußen des A in dessen Altersversorgung nach dem SGB VI durch vorgezogene Beitragszahlung (§ 119 SGB X) an DRV bereits erfüllt (siehe Rn 1561 ff.). V kann – da sowohl ihm als auch A vom Gesetzgeber die Dispositionsmöglichkeit genommen wurde (siehe Rn 1558) – befreiend nur an DRV zahlen.

DRV hat das für die entsprechende Altersrente erforderliche Geld in Form von RV-Beiträgen tatsächlich (und nicht nur fiktiv) erhalten und dem bei ihr geführten Rentenkonto auch bis zum Erreichen des Regelalters zugeführt. Die Höhe der Altersrente entsprechend der erhaltenen Beiträge hat der Treuhänder des A (DRV) zu gewährleisten.[994]

Das Beitragskonto weist im Ist-Verlauf denselben Zustand (Pflichtbeiträge) aus wie im Sollverlauf. Nach der Differenzbetrachtung[995] verbleibt danach kein Schaden.

2. Ergebnis

A hat zwar einen Schaden, kann diesen aber nicht bei V einfordern.

[992] In der Praxis stets relevante Fragestellungen des fiktiven Renteneinstiegsalters des AS aufgrund unfallfremder Umstände sowie die Frage der Anwendung etwaiger Übergangsregelungen des SGB VI bleiben an dieser Stelle – da das Interesse an der Systemdarstellung im Vordergrund steht – unberücksichtigt.
[993] Variabel über die Laufzeit des Erwerbsminderungsrentenbezugs.
[994] Küppersbusch/Höher, Rn 763.
[995] BGH v. 15.11.2011 – VI ZR 4/11 – MDR 2012, 76 = NJW 2012, 601 = VersR 2012, 195 = WM 2012, 138. Jahnke, Unfalltod und Schadenersatz, 2. Aufl. 2012, § 1 Rn 20 ff. m.w.H.

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