A. Einleitung

 

Rz. 1

Gemäß § 305 Abs. 2 BGB werden Allgemeine Geschäftsbedingungen grundsätzlich (da sie mangels einer Rechtsetzungskompetenz des Verwenders nicht als Rechtsnormen zu qualifizieren sind)[1] nur dann Bestandteil des Vertrags,[2] wenn (kumulativ) der Verwender bei Vertragsschluss

die andere Vertragspartei ausdrücklich oder, wenn ein ausdrücklicher Hinweis wegen der Art des Vertragsschlusses nur unter unverhältnismäßigen Schwierigkeiten möglich ist, durch deutlich sichtbaren Aushang am Ort des Vertragsschlusses auf sie hinweist (Nr. 1), und
der anderen Vertragspartei die Möglichkeit verschafft, in zumutbarer Weise, die auch eine für den Verwender erkennbare körperliche Behinderung der anderen Vertragspartei angemessen berücksichtigt, von ihrem Inhalt Kenntnis zu nehmen (Nr. 2),

und wenn die andere Vertragspartei mit ihrer Geltung einverstanden ist (2. Hs. – vertragliche Abrede über die AGB-Geltung[3] [Geltungs- oder Einbeziehungsvereinbarung][4]).[5]

 

Rz. 2

Die Einbeziehungsvereinbarung ist Teil des jeweiligen Vertrags (und kein besonderes Rechtsgeschäft).[6] In Abkehr von der alten "Wissenmüssen-Formel-Judikatur"[7] stellt § 305 Abs. 2 BGB sicher, dass die Einbeziehung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen vom Vertragswillen beider Parteien getragen wird.[8]

 

Beachte

Der BGH[9] hat entschieden, dass auch Allgemeine Geschäftsbedingungen von Fernwärmeunternehmen nur aufgrund einer rechtsgeschäftlichen Einbeziehungsvereinbarung Inhalt eines Vertrags über die Versorgung mit Fernwärme werden. Ein Vertrag über die Versorgung mit Fernwärme kann zwar auch konkludent durch die bloße Entnahme von Fernwärme aus dem Netz zustande kommen.[10] Dabei werden jedoch die Allgemeinen Versorgungsbedingungen nicht Vertragsinhalt. Wenn der Vertragspartner als Unternehmer gehandelt hat, bedarf es zwar nicht der in § 305 Abs. 2 BGB genannten Einbeziehungsvoraussetzungen. Gleichwohl ist aber auch im kaufmännischen Verkehr eine rechtsgeschäftliche Vereinbarung über die Geltung der Allgemeinen Versorgungsbedingungen erforderlich.[11] Zwar verwenden Versorgungsunternehmen – wie auch andere Unternehmen, die Waren oder Dienstleistungen anbieten – typischerweise Allgemeine Geschäftsbedingungen. Branchenüblichkeit allein reicht aber nach der Rechtsprechung des BGH für die Beachtlichkeit Allgemeiner Geschäftsbedingungen nicht aus.[12] Denn allein aus diesem Umstand folgt noch nicht mit der erforderlichen Klarheit, dass das Versorgungsunternehmen ausschließlich auf der Basis seiner eigenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen abschließen will. Zudem sind gerade im Bereich der Fernwärme ­Sonderverträge, die zu anderen als den Allgemeinen Versorgungsbedingungen abgeschlossen werden, nicht unüblich. Schon deshalb ist das in der bloßen Bereitstellung von Fernwärme liegende konkludente Angebot eines Anbieters zum Abschluss eines Vertrages über die Lieferung von Fernwärme vom Empfängerhorizont her betrachtet nicht zweifelsfrei dahin zu verstehen, dass für den Anbieter nur ein Vertragsabschluss zu seinen Ergänzenden Allgemeinen Versorgungsbedingungen in Betracht kommt.[13]

Die Obliegenheit zur Verschaffung einer zumutbaren Kenntnisnahmemöglichkeit nach § 305 Abs. 2 BGB (im Verbraucherverkehr) erfüllt der Verwender dadurch, dass er auf die Geltung der AGB bei Vertragsschluss ausdrücklich hinweist und dem Kunden die Vertragsunterlagen aushändigt.[14]

 

Rz. 3

Eine Erleichterung der Einbeziehung regelt § 305 lit. a BGB (Einbeziehung in besonderen Fällen – siehe Rdn 85 ff.).

Für den unternehmerischen Rechtsverkehr trifft § 310 Abs. 1 BGB (siehe § 6 Rdn 2 ff.) im Übrigen eine Bereichsausnahme hinsichtlich § 305 Abs. 2 BGB.

 

Rz. 4

Fehlt eines der genannten Einbeziehungserfordernisse, gilt der Vertrag nach § 306 BGB ohne die Allgemeinen Geschäftsbedingungen.[15]

 

Rz. 5

 

Beachte

§ 305 Abs. 2 BGB ist zum einen zwingendes Recht, Em anderen lex specialis gegenüber den §§ 133, 157 BGB. Der Vertragspartner kann allein auf die Einhaltung von § 305 Abs. 2 Nr. 2 BGB verzichten. Nur die Einhaltung der Förmlichkeiten vermag eine wirksame Einbeziehung Allgemeiner Geschäftsbedingungen zu begründen.[16]

 

Rz. 6

Damit entspricht § 305 Abs. 2 BGB im Wesentlichen wörtlich § 2 Abs. 1 AGB-Gesetz (alt): Es besteht die Notwendigkeit einer rechtsgeschäftlichen Einbeziehung (Einbeziehungsvereinbarung als Teil des Vertrags).[17]

Eine Besonderheit beinhaltet allerdings aus sozialstaatlichen Gründen § 305 Abs. 2 Nr. 2 BGB durch eine klarstellende Ergänzung zur Frage der Einbeziehung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen für den Fall, dass die andere Vertragspartei aufgrund einer körperlichen Behinderung in ihrer Wahrnehmungsfähigkeit ("eine für den Verwender erkennbare körperliche Behinderung" – womit dem Verwender durch die Neuregelung nichts Unzumutbares abverlangt wird) beeinträchtigt ist – vor allem bei Menschen mit einer schweren Sehbehinderung.[18] Der Gesetzgeber erachtete für diesen Fall, der in Rechtsprechung und Literatur entweder gar nicht oder nur ganz am Rande behandelt wurde, Klarstellung...

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