Rz. 95

§ 2 AGB-Gesetz (alt) war gleichermaßen nicht anwendbar für eine AGB-Einbeziehung der Anbieter von Telekommunikationsleistungen sowie der Deutschen Post AG für ­Leistungen im Rahmen des Beförderungsvorbehalts nach dem Postgesetz, sofern sie in ihrem Wortlaut im Amtsblatt der Regulierungsbehörde veröffentlicht worden waren und bei den Geschäftsstellen der Anbieter zur Einsichtnahme bereit gehalten wurden (§ 23 Abs. 2 Nr. 1 lit. a AGB-Gesetz (alt)). Diese Ausnahmeregelung war allerdings vom Gesetzgeber auch nicht als Dauerregelung angesehen worden, sondern sollte den betroffenen Unternehmen lediglich den Einstieg in die Selbstständigkeit (privatwirtschaftliches Wirtschaften) erlauben, weshalb sie nach § 30 S. 3 AGB-Gesetz (alt) bis zum ­Ablauf des 31.12.2002 befristet worden war.

 

Rz. 96

Im Hinblick auf diese ohnehin vorgesehene Befristung hat sich der Gesetzgeber im Rahmen der Schuldrechtsmodernisierung 2002 dazu entschlossen, die beiden Ausnahmen (für Telekommunikationsleistungsanbieter sowie die Deutsche Post AG) in § 23 Abs. 2 Nr. 1 lit. a AGB-Gesetz alt aufzugeben und an deren Stelle zwei engere Ausnahmen, die an die Art des jeweiligen Vertragsabschlusses anknüpfen, nämlich

"Einwurf in den Briefkasten" (§ 305a Nr. 2 lit. a BGB) bzw.
Call-by-Call-Verfahren (§ 305a Nr. 2 lit. b BGB),

zu regeln,[248] bei denen die Einhaltung der Erfordernisse des § 305 Abs. 2 BGB aus praktischen Gründen nicht gefordert werden kann.[249]

 

Rz. 97

§ 23 Abs. 2 Nr. 1 lit. a und Nr. 1 lit. b AGB-Gesetz alt erfuhren ihre Rechtfertigung als Ausnahmeregelungen durch die Art der Verträge, nämlich Massengeschäfte, sowie deren starke öffentliche Kontrolle durch die Regulierungsbehörde nach § 23 TKG, die unverhältnismäßige Nachteile zulasten der Kunden ausschloss. Nunmehr zwingen die Grenzen entsprechender Kontrollen und der Gleichbehandlungsgrundsatz gegenüber anderen Branchen, die fernmündlich Massengeschäfte unter Berücksichtigung von § 305 Abs. 2 BGB abschließen, zu einer Aufgabe der Privilegien für die Nachfolgeunternehmen der früheren Teilunternehmen der Deutschen Bundespost.[250]

 

Rz. 98

Ansonsten bestünde ein nicht zu rechtfertigendes Ungleichgewicht dergestalt, dass alle anderen Unternehmen beim Vertragsabschluss per Telefon oder Internet die Vorgaben des § 305 Abs. 2 BGB einzuhalten haben, Unternehmen der Telekommunikationsbranche davon aber dispensiert wären. Dies ließe sich auch nicht mehr mit dem Hinweis rechtfertigen, dass entsprechende Allgemeine Geschäftsbedingungen im Amtsblatt der Regulierungsbehörde (nunmehr: Bundesnetzagentur) veröffentlicht werden müssen, weil für den Kunden (der regelmäßig vom Inhalt des Amtsblatts ohnehin keine Kenntnis nehmen konnte)[251] damit ein erheblicher Transparenzverlust einherginge, der nur für eine Übergangszeit akzeptabel war.

 

Rz. 99

Weiterhin ist wichtig, dass bei Vertragsabschlüssen im elektronischen Geschäftsverkehr nach § 312 lit. i und lit. j BGB i.V.m. Art. 246 lit. c EGBGB alle Unternehmen verpflichtet sind, ihren Kunden sämtliche Vertragsbedingungen zur Verfügung zu stellen – ebenso wie bei Fernabsatzverträgen nach Maßgabe von § 312 lit. c und lit. d BGB i.V.m. Art. 246 lit. a §§ 1–4 und Art. 246 lit. b §§ 1–2 EGBGB.

 

Rz. 100

"Schwierigkeiten für die Unternehmen sind nicht zu befürchten, ihnen wird nur ­zugemutet, was alle anderen Unternehmen seit Jahrzehnten problemlos prakti­zieren."[252]

 

Rz. 101

Nach dem infolge § 305 lit. a Nr. 2 BGB erfolgten Wegfall der Privilegierung unterliegen Telekommunikationsunternehmen (wie alle anderen Unternehmen auch) hinsichtlich der gesetzlichen Voraussetzungen für eine Einbeziehung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen in Verträgen den Vorgaben des § 305 Abs. 2 BGB. Dies gilt auch für Änderungen der entsprechenden (schon geltenden) Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Rahmen laufender Vertragsverhältnisse[253] – wobei jedoch zu berücksichtigen ist, dass sog. Änderungsklauseln statthaft sind, wenn der Verwender sich in der Änderungsklausel verpflichtet, den Kunden bei Beginn der Frist auf die Bedeutung seines Verhaltens hinzuweisen und der Verwender ihn über die Änderungen in hervorgehobener Form (bspw. durch eine synoptische Gegenüberstellung oder durch Hervorhebung der Änderung in Fettdruck bzw. durch ein Ergänzungsblatt der Allgemeinen Geschäftsbedingung) besonders informiert.[254] Es besteht also die Möglichkeit, dem Kunden Änderungen von Allgemeinen Geschäftsbedingungen schriftlich bekannt zu geben, die dann als vom Kunden genehmigt gelten, wenn der Kunde nicht innerhalb einer angemessenen Frist widerspricht (vgl. etwa Nr. 1 Abs. 2 AGB-Banken). Etwas anderes (Unzulässigkeit der Änderungsklausel) gilt nur für den Fall, dass sich der Verwender ein einseitiges Anpassungsrecht vorbehält.[255]

 

Rz. 102

In der Konsequenz ist es Telekommunikationsunternehmen auch nach Wegfall des Einbeziehungsprivilegs möglich, durch zulässige Änderungsklauseln in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen den praktischen Schwierigkeiten einer Änderung von Allgemeinen Ge...

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