Rz. 118

§ 306 lit. a BGB normiert das Umgehungsverbot: Die Vorschriften des Abschnitts 2 (Gestaltung rechtsgeschäftlicher Schuldverhältnisse durch Allgemeine Geschäftsbedingungen – §§ 305 ff. BGB) finden auch Anwendung, wenn sie durch "anderweitige Gestaltungen" umgangen werden. Ein Umgehungsgeschäft i.S. des § 306 lit. a BGB liegt vor, wenn eine als Allgemeine Geschäftsbedingung unwirksame Regelung bei gleicher Interessenlage durch eine andere rechtliche Gestaltung erreicht werden soll, die nur den Sinn haben kann, dem gesetzlichen Verbot zu entgehen.[273] Eine entsprechende Konstellation kann vor allem dann vorliegen, wenn der Verwender missbräuchlich eine Rechtsbeziehung in der Form des Gesellschafts- oder Vereinsrechts gestaltet, um durch die in § 310 Abs. 4 BGB geregelten Bereichsausnahmen einer AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle zu entgehen.[274] Im Falle eines Verstoßes gegen das Umgehungsverbot nach § 306 lit. a BGB eröffnet die Norm die Anwendbarkeit der für die Wirksamkeitskontrolle von Allgemeinen Geschäftsbedingungen maßgeblichen Vorschriften.[275] Für den Fall, dass die dann vorzunehmende Inhaltskontrolle der außerhalb von Allgemeinen Geschäftsbedingungen getroffenen Regelung allerdings zum Ergebnis führt, dass diese den Geschäftspartner des Verwenders nicht gemäß § 307 BGB "unangemessen" benachteiligt, liegt auch kein Verstoß gegen das Umgehungsverbot vor, der die Unwirksamkeit der Regelung nach sich führen würde.[276]

 

Rz. 119

Die Regelung des § 306 lit. a BGB entspricht damit inhaltlich § 7 AGB-Gesetz (alt), wobei durch die Integration des AGB-Gesetzes in das BGB lediglich die Altformulierung "Dieses Gesetz" durch die Formulierung "Die Vorschriften dieses Absatzes" zu ersetzen war. Damit ist jedoch keine inhaltliche Änderung verbunden.[277]

 

Rz. 120

§ 306 lit. a BGB soll Ansätzen entgegenwirken, dass Schutzvorschriften zugunsten des wirtschaftlich Schwächeren Umgehungsversuchen ausgesetzt werden.[278] Daher werden die Regelungen der §§ 305 ff. BGB über die Gestaltung rechtsgeschäftlicher Schuldverhältnisse durch Allgemeine Geschäftsbedingungen als zwingendes Recht ausgestaltet.

 

Rz. 121

Stadler[279] qualifiziert die Regelung des § 306 lit. a BGB wegen § 134 BGB als "überflüssig", da die zuletzt genannte Regelung auch "Umgehungsversuche bezüglich der §§ 308, 309 und 307 BGB erfasst".[280]Grüneberg[281] hält dem entgegen, dass es im Bürgerlichen Recht – obgleich Schutzvorschriften zugunsten des wirtschaftlich Schwächeren oftmals Umgehungsversuchen ausgesetzt sind – keinen geschriebenen allgemeinen Grundsatz gibt, entsprechenden Versuchen entgegenzuwirken, was letztlich den Gesetzgeber dazu bewogen habe, in § 306 lit. a BGB (wie bspw. auch in § 312 lit. k Abs. 1 bzw. in § 651 lit. m BGB) ein ausdrückliches Umgehungsverbot aufzunehmen.

 

Rz. 122

Umgehungsversuchen ist – wegen der weiten Fassung der §§ 305 ff. BGB (insbesondere der §§ 305 Abs. 1 und 307 BGB) und dem Schutzzweck des AGB-Rechts – zunächst durch Auslegung (vgl. §§ 133, 157 BGB) zu begegnen, bevor eine Heranziehung des § 306 lit. a BGB in Betracht zu ziehen ist.[282]

Der Inhalt einer Allgemeinen Geschäftsbedingung ist durch Auslegung zu ermitteln, die der Senat – so der BGH – auch selbst vornehmen kann.[283] Die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen durch das Berufungsgericht unterliegt der vollen revisionsrechtlichen Nachprüfung.[284] Allgemeine Geschäftsbedingungen sind bei der Auslegung wie revisible Rechtsnormen zu behandeln und infolgedessen vom Revisionsgericht frei auszulegen, da bei ihnen ungeachtet der Frage, ob sie über den räumlichen Bezirk des Berufungsgerichts hinaus verwendet werden, ein Bedürfnis nach einer einheitlichen Handhabung besteht.[285]

Dabei ist – ausgehend von den Verständnismöglichkeiten eines rechtlich nicht vorgebildeten Durchschnittskunden – nach dem objektiven Inhalt und typischen Sinn der in Rede stehenden Klausel zu fragen. Sie ist so auszulegen, wie ihr Wortlaut von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der regelmäßig beteiligten Verkehrskreise verstanden wird.[286] Verbleiben nach Ausschöpfung aller danach in Betracht kommenden Auslegungsmöglichkeiten Zweifel und sind zumindest zwei Auslegungsergebnisse rechtlich vertretbar, kommt die Unklarheitenregel des § 305 lit. c Abs. 2 BGB zur Anwendung.[287] Danach ist die scheinbar "kundenfeindlichste" Auslegung im Ergebnis regelmäßig die dem Kunden günstigste, da sie häufig erst die Inhaltskontrolle eröffnet bzw. zu einer unangemessenen Benachteiligung und damit der Unwirksamkeit der beanstandeten Klausel führt.[288] Außer Betracht zu bleiben haben Verständnismöglichkeiten, die zwar theoretisch denkbar, praktisch aber fernliegend und nicht ernstlich in Erwägung zu ziehen sind.[289] Damit gehen Zweifel bei der Auslegung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen zulasten des Verwenders.

Allgemeine Geschäftsbedingungen sind somit nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redli...

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