Rz. 113

Es kommt vor, dass Ehegatten nach einer Trennung kurzfristig wieder zusammenziehen, um einen Versuch zu unternehmen, ihre Ehe zu retten. Das steht der Annahme des Getrenntlebens nicht entgegen. Gemäß § 1567 Abs. 2 BGB führt ein Zusammenleben über kürzere Zeit, das der Versöhnung der Ehegatten dienen soll, nicht zu einer Unterbrechung oder Hemmung der Trennungsfrist nach § 1566 BGB. Sinn und Zweck dieser Regelung ist, dass die sich in Trennung befindlichen Ehegatten nicht aus Angst vor dem eventuellen Neubeginn bereits laufender Fristen von dem Versuch, sich zu versöhnen und ihre eheliche Lebensgemeinschaft wieder aufzunehmen, abgehalten werden sollen.[132] Andererseits aber wird eben dieser Versuch steuerrechtlich damit belohnt, dass eine steuerrechtlich günstigere Zusammenveranlagung der Ehegatten möglich gemacht wird.[133]

[132] OLG Saarbrücken, Beschl. v. 14.9.2009 – 6 WF 98/09, openJur 2010, 2953; FAKomm-FamR/Weinreich, § 1567 Rn 10.
[133] Z.B. LG Krefeld, Urt. v. 24.9.2007 – 1 S 13–07, Rechtsprechungsdatenbank NRW (NRWE), openJur 2011, 53641.

1. Voraussetzungen

 

Rz. 114

Eine Wiederaufnahme der häuslichen Gemeinschaft zwischen den Ehegatten ist nur dann als Versöhnungsversuch im vorgenannten Sinne zu qualifizieren, wenn es sich um ein bloß vorübergehendes Zusammenleben über kürzere Zeit handelt, das der Versöhnung dienen soll. Ob die Wiederaufnahme der häuslichen Gemeinschaft vorübergehend und kurz im Sinne des § 1567 Abs. 2 BGB ist, wird anhand der Gesamtumstände des Einzelfalls beurteilt. Hierbei spielen sowohl die Dauer des bisherigen Zusammenlebens als auch der bis dahin abgelaufene Zeitraum der Trennung eine Rolle.[134]

 

Rz. 115

Dementsprechend kann auch ein erneutes Zusammenleben von etwa drei Monaten "kurz" im vorgenannten Sinne sein,[135] wobei dies eher als Obergrenze eines derartigen Zeitraums denn als Regel anzusehen ist.[136] Bei Ehegatten, die mehr als zwei bis drei Monate lang "versuchen", sich zu versöhnen, kann nicht mehr davon gesprochen werden, dass sie sich in endgültiger Abwendung voneinander befinden.[137] Der rein körperliche Kontakt zwischen den Ehegatten – weder in Regelmäßigkeit noch einmalig – ist noch kein hinreichender Anhaltspunkt für die Annahme eines Versöhnungsversuchs.[138]

 

Rz. 116

 

Hinweis

Ein Versöhnungsversuch unterbricht nicht den Lauf des Trennungsjahres.

Ein Versöhnungsversuch ist das vorübergehende Zusammenleben über kürzere Zeit, was jeweils anhand der Umstände des Einzelfalls beurteilt werden muss.

[134] FAKomm-FamR/Weinreich, § 1567 Rn 13.
[135] FA-FamR/v. Heintschel-Heinegg, Kap. 2 Rn 71.
[136] OLG Zweibrücken FamRZ 1981, 146; OLG Saarbrücken, Beschl.v. 14.9.2009 – 6 WF 98/09, openJur 2010, 2953.
[137] OLG Saarbrücken, Beschl. v. 14.9.2009 – 6 WF 98/09, openJur 2010, 2953.
[138] FA-FamR/v. Heintschel-Heinegg, Kap. 2 Rn 71; FAKomm-FamR/Weinreich, § 1567 Rn 11.

2. Abgrenzung zur echten Versöhnung

 

Rz. 117

Von dem Versöhnungsversuch abzugrenzen ist die "echte Versöhnung", bei deren Annahme das Vorliegen eines "Versöhnungsversuchs" von vornherein ausscheidet.[139] Eine echte Versöhnung setzt voraus, dass beide Ehegatten einvernehmlich von der Trennung Abstand genommen und dies durch Wiederaufnahme einer zumindest eingeschränkten häuslichen Gemeinschaft manifestiert haben.[140] Folge einer "echten Versöhnung" ist, dass die erneute Trennung eine neue Trennungszeit in Gang setzt.[141] Außerdem verliert ein bereits bestehender Titel auf Trennungsunterhalt seine Wirkung und ein eventueller Unterhaltsanspruch muss neu berechnet und tituliert werden.[142]

 

Rz. 118

 

Hinweis

Eine "echte" Versöhnung liegt vor, wenn die Ehegatten einvernehmlich von der Trennung Abstand nehmen.

Folge einer echten Versöhnung ist die Unterbrechung bereits laufender Fristen und Zeiten und nach erneuter Trennung die Notwendigkeit der neuerlichen Berechnung derselben.

[139] OLG München FamRZ 1990, 885.
[140] FAKomm-FamR/Weinreich, § 1567 Rn 11.
[141] Rauscher, Familienrecht, § 21 Rn 536.
[142] OLG Hamm, Beschl. v. 24.1.2011 – II-2 WF 277/10, openJur 2011, 77613, Rechtsprechungsdatenbank NRW (NRWE), NJW-RR 2011, 1015.

3. Darlegungs- und Beweislast

 

Rz. 119

Die Darlegungs- und Beweislast richtet sich nach den allgemeinen Regeln. Wenn die Antragstellerin oder der Antragsteller eines Scheidungsantrags beispielsweise vorträgt, das Trennungsjahr sei bereits abgelaufen und sei auch nicht durch ein kurzfristiges Zusammenleben in der ehelichen Wohnung unterbrochen worden, muss der Antragsgegner, möchte er den Zeitpunkt der Scheidung nach hinten geschoben sehen, darlegen und beweisen, dass eben jenes Zusammenleben nicht lediglich der Versuch einer Versöhnung war, sondern zu einer echten Aussöhnung der Ehegatten geführt hat.[143] Er muss darlegen und beweisen, dass sich die Ehegatten gemeinsam entschieden haben, von der Trennung Abstand zu nehmen und dass sie zumindest teilweise die häusliche Gemeinschaft wieder aufgenommen haben.

 

Rz. 120

Hierzu ist auch derjenige gezwungen, der sich im Rahmen einer Vollstreckungsgegenklage nach §§ 113 FamFG, 767 ZPO auf die Unwirksamkeit eines Titels auf Zahlung von Trennungsunt...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge