Rz. 400

Gemäß § 43 Abs. 2 FamGKG ist für die Beurteilung der maßgeblichen Einkommensverhältnisse der Ehegatten ihr in drei Monaten erzieltes Nettoeinkommen einzusetzen. Hinsichtlich des Nettoeinkommens ist auf den unterhaltsrechtlichen Einkommensbegriff abzustellen.[312] Für die Ermittlung des Einkommens sind demnach sämtliche Einkünfte zu berücksichtigen, mithin unter anderem Einkünfte aus selbstständiger oder unselbstständiger Tätigkeit inklusive Urlaubs- und Weihnachtsgeld, Gratifikationen, Abfindungen, Kapitaleinkünfte, Privatentnahmen, Miet- und Pachteinnahmen, Renten und Steuererstattungen.[313]

 

Rz. 401

Nicht zu den Einkünften zählt Unterhalt. Denn der Unterhalt ist aus dem Erwerbseinkommen des unterhaltsverpflichteten Ehegatten aufzubringen. Damit erfährt der Unterhaltsanspruch des unterhaltsberechtigten Ehegatten bereits Berücksichtigung in der Berechnung der gemeinsamen Einkünfte.[314] Etwas anderes muss für zu zahlenden Kindesunterhalt und für Unterhalt gelten, der von Dritten gezahlt wird, da dieser nicht bereits in den berücksichtigten Erwerbseinkommen auftaucht. Der Kindesunterhalt muss deshalb voll abzugsfähig sein,[315] Unterhalt durch Leistung Dritter als Einkommen voll anrechenbar.[316]

 

Rz. 402

Ob Sozialleistungen ohne Lohnersatzfunktion, wie zum Beispiel Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach SGB II, als Einkommen in dem vorgenannten Sinne zu berücksichtigen sind, scheint in der Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet zu werden.[317] Zum Teil wird die Einbeziehung der Sozialleistungen vor dem Hintergrund bejaht, dass die Festlegung des Verfahrenswertes sich an den tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnisse orientieren soll.[318] Stellt man hingegen auf den reinen Wortlaut des § 43 Abs. 2 FamGKG, "erzieltes Nettoeinkommen", ab, kann dahingehend argumentiert werden, dass dieser auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Ehegatten zielt. Sobald Leistungen der Grundsicherung gewährt werden, besteht aber gerade keine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit. Denn wenn diese bestünde, wäre der jeweilige Ehegatte nicht bezugsberechtigt.[319] Außerdem werden Sozialleistungen nicht "erzielt", sondern "bewilligt".[320] Beziehen also beide Ehegatten Sozialleistungen ohne Lohnersatzfunktion oder trifft dies nur auf einen Ehegatten zu, wird der Verfahrenswert nicht anhand der Höhe der empfangenen Sozialleistungen berechnet. Folgt man der letztgenannten Ansicht, für die Ermittlung des Verfahrenswerts würden keine Sozialleistungen ohne Lohnersatzfunktion zugrunde gelegt, ist Konsequenz eines Falles, in dem Ehegatten Sozialleistungen ohne Lohnersatzfunktion beziehen, dass der Verfahrenswert zwangsläufig 3.000,00 EUR beträgt. Da Sozialleistungen, die für einen Zeitraum von drei Monaten gewährt werden, in der Regel ohnehin nicht den Mindestwert von 3.000,00 EUR übersteigen werden, ist die zuvor dargestellte Meinungsdifferenz in den meisten Fällen nicht relevant.

 

Rz. 403

Sofern das erzielte Nettoeinkommen feststeht, kann dieses entsprechend der Regelungen zum Unterhaltsrecht bereinigt werden. Es wären Steuern, Aufwendungen für Krankheits-, Alters- und angemessene Zusatzversorgung von dem jeweiligen Nettoeinkommen abzuziehen.[321] Entsprechendes gilt für pauschale Aufwendungen für Kinder. Eine einheitliche Größe für diese Abzugspositionen gibt es nicht. In Betracht kommt zum Beispiel eine Berücksichtigung in Höhe von 250,00 EUR je Kind.[322] Die Oberlandesgerichtsbezirke gehen unterschiedlich mit der Ermittlung des zu berücksichtigenden Einkommens um. Im Einzelfall sollte dies geprüft werden.

 

Rz. 404

Auch die Frage, ob und wieweit von dem Nettoeinkommen Schulden abzuziehen sind, scheint in Literatur und Rechtsprechung nicht abschließend geklärt. Durchaus vertretbar ist aber, das Nettoeinkommen der Beteiligten um die zu zahlenden Verbindlichkeiten zu bereinigen.[323] Hierfür spricht, dass Wortlaut und Sinn des § 43 FamGKG auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Ehegatten abstellen.

 

Rz. 405

 

Hinweis

Der Verfahrenswert für ein Scheidungsverfahren richtet sich unter anderem nach dem erzielten Nettoeinkommen der Ehegatten für drei Monate.

Das Nettoeinkommen kann wie im Unterhaltsrecht um Steuern, Aufwendungen für Krankheits-, Alters- und angemessene Zusatzversorgung bereinigt werden.

Die Ermittlung des zu berücksichtigenden Nettoeinkommens ist nicht einheitlich geklärt, es gibt unterschiedliche Rechtsprechung. Hierzu zählt auch die Frage, ob Sozialleistungen ohne Lohnersatzfunktion Einkommen sind, die Höhe des Pauschalbetrages für Kinder und die Berücksichtigungsfähigkeit von Schulden.

[312] SBW/Keske, § 43 FamGKG Rn 8.
[313] Prütting/Helms/Klüsener, § 43 FamGKG Rn 8.; SBW/Keske, § 43 FamGKG Rn 8.
[314] Prütting/Helms/Klüsener, § 43 FamGKG Rn 9.
[315] Prütting/Helms/Klüsener, § 43 FamGKG Rn 17.
[316] Vgl. OLG Stuttgart, Beschl. v. 9.7.2010 – 15 WF 131/10, FamRZ 2010, 2098, openJur 2012, 63014.
[317] Vgl. SBW/Keske, § 43 FamGKG Rn 9.
[318] Vgl. z.B. OLG Zweibrücken, Beschl. v. 10.1.2011 – 5 WF 178/10, Fa...

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