Rz. 362

Ehegatten, die sich bereits über die Scheidung und ihre Folgen einig sind, wünschen häufig die Vertretung beider Ehegatten durch nur einen Rechtsanwalt im Scheidungsverfahren. Dahinter steht der Wunsch, die durch das Scheidungsverfahren entstehenden Kosten (Rechtsanwalts- und Gerichtsgebühren) zu minimieren. Das ist dem Rechtsanwalt aufgrund seiner Berufspflicht, nur die Interessen des eigenen Mandanten einseitig zu vertreten, § 43a Abs. 4 BRAO, nicht möglich. Gemäß § 43 BRAO hat der Rechtsanwalt seinen Beruf gewissenhaft auszuüben. Das umfasst unter anderem auch die Pflicht, keine widerstreitenden Interessen zu vertreten, § 43a Abs. 4 BRAO. Letzteres ist anzunehmen, wenn der Rechtsanwalt eine andere Partei in derselben Rechtssache im widerstreitenden Interesse bereits beraten oder vertreten hat oder mit dieser Rechtssache in sonstiger Weise beruflich befasst ist, § 3 Abs. 1 BORA.

 

Rz. 363

Dieselbe Rechtssache im Sinne des § 3 BORA kann jede Angelegenheit sein, die zwischen mehreren Beteiligten mit jedenfalls möglicherweise entgegenstehenden rechtlichen Interessen nach Rechtsgrundsätzen behandelt werden soll. Maßgeblich ist der sachlich-rechtliche Inhalt.[287] Bei einer Vertretung beider Ehegatten liegt deshalb stets ein Pflichtverstoß gegen das anwaltliche Berufsrecht vor. Es genügt bereits die Möglichkeit, dass sich rechtliche Interessen der Ehegatten entgegenstehen. Einer tatsächlichen Kollision der Interessen bedarf es nicht.

Den Ehegatten ist also mitzuteilen, dass eine gemeinsame Vertretung im Scheidungsverfahren nicht möglich ist. Wohl aber kann nur einer der Ehegatten vertreten werden, da es lediglich für die Antragstellung eines Verfahrensbevollmächtigten bedarf, nicht aber für die Zustimmung. Dann vertritt der Rechtsanwalt aber explizit nur die Interessen desjenigen, der ihn beauftragt hat. Dem "anwaltlosen" Ehegatten können dadurch Rechtsnachteile entstehen.

 

Rz. 364

 

Hinweis

Der Rechtsanwalt kann in einem Scheidungsverfahren nicht beide Ehegatten gemeinsam vertreten, da er damit gegen die Berufspflicht verstoßen würde, keine widerstreitenden Interessen vertreten zu dürfen.

[287] BGH, Urt. v. 23.4.2012, AnwZ (Brfg) 35/11, NJW 2012, 3039, JurionRS 2012, 18528.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge