Rz. 73

Versorgungsanrechte sind nur dann auszugleichen, wenn sie in der Ehezeit erworben wurden (§§ 1 Abs. 1, 3 Abs. 2 VersAusglG).

 

Rz. 74

Anrechte, die vor der Ehezeit erworben wurden, sind nicht auszugleichen. Das gilt selbst dann, wenn das vorehezeitlich angesparte Kapital während der Ehe in einen neuen zertifizierten Altersvorsorgevertrag (§ 1 Abs. 1 Nr. 10 lit. b AltZertG) eingezahlt wird, mit dem die Altersversorgung vereinheitlicht werden soll.[59] Der vorehelich angesparte Kapitalbetrag des Altvertrages im Versorgungsausgleich muss dann im Versorgungsausgleich unberücksichtigt bleiben und herausgerechnet werden. Auch hinsichtlich des Dynamisierungsanteils, den diese Anrechte in der Ehezeit erlangen, (z.B. durch die steigenden aktuellen Rentenwerte oder durch die Verzinsung eines vor der Ehe eingezahlten Deckungskapitals,) erfolgt keine Berücksichtigung (siehe oben Rdn 36). Zu den Einzelheiten siehe unten § 6 Rdn 56 ff. Dort finden sich auch ein Berechnungsbeispiel und die Stellungnahme.

 

Rz. 75

Ebenso wenig auszugleichen sind Anrechte, die nach dem Ende der Ehezeit für die Ehezeit erworben werden, etwa durch Nachzahlung der Beiträge für die Versorgung, die durch den Versorgungsausgleich verloren wurde. In Betracht kommen aber auch rückwirkende betriebliche Versorgungszusagen[60] oder die Verbeamtung nach dem Ehezeitende, welche dazu führt, dass auch Ehezeiten zu versorgungsrechtlich relevanten Zeiten werden.[61]

 

Rz. 76

Wann ein Anrecht erworben wurde, bestimmt sich nach den Regeln, welche für das betroffene Versorgungssystem gelten.

 

Rz. 77

Bei Pflichtsystemen, die an die Arbeitsleistung anknüpfen, wie der gesetzlichen Rentenversicherung und den berufsständischen Versorgungen ist an die Arbeitsleistung an sich abzustellen, denn durch sie entsteht die Verpflichtung zur Beitragszahlung. Insoweit kommt es auf den Zahlungszeitpunkt der Beiträge nicht an, sondern allein darauf, wann die Arbeitsleistung erfolgt ist.[62]

 

Rz. 78

Bei rein beitragsbezogenen Systemen (z.B. in Bezug auf die freiwilligen Beiträge und die Pflichtversicherungsbeiträge der Selbstständigen[63] in der gesetzlichen Rentenversicherung, private Versicherungen) ist der Entstehenszeitpunkt der Zeitpunkt, zu dem die Beiträge geleistet wurden, wenn der Beitragszahlung konstitutive Bedeutung zukommt. Man spricht vom sog. "In-Prinzip". Unerheblich ist dagegen dann, für welche Zeiten Beiträge geleistet werden. Das ist auch bei den Auskünften der Versorgungsträger streng auseinander zu halten. Daraus folgt: Zahlt ein Ehegatte nach dem Ende der Ehezeit Beiträge in der gesetzlichen Rentenversicherung für in der Ehezeit liegende Perioden ein, sind die dadurch begründeten Anrechte nicht auszugleichen.[64] Umgekehrt sind durch Beitragszahlungen für voreheliche Zeiten begründete Anrechte auszugleichen, wenn die Beitragsnachzahlung in der Ehezeit erfolgte. Probleme können sich wegen der bei der Ehezeitberechnung bestehenden Monatsregelung ergeben, wenn die Zahlungen kurz vor der Hochzeit (aber im Monat der Eheschließung) oder kurz nach dem Ehezeitende (aber vor der Stellung des Scheidungsantrags) erfolgen. Im erstgenannten Fall ist das Anrecht ausnahmsweise mangels Ehezeitbezugs aus dem Ausgleich auszunehmen.[65] Im zweiten Fall kommt in erster Linie eine güterrechtliche Lösung infrage (weil die Leistungen noch im Zeitraum geleistet wurden, der für den Zugewinnausgleich relevant ist). Führt der güterrechtliche Ausgleich insoweit zu nichts, kommt eine Korrektur des Versorgungsausgleichs mithilfe der Härteklausel (§ 27 Vers­AusglG) in Betracht.[66]

 

Hinweis

Entsprechendes gilt für die sog. Mütterrente:

Nur wenn auch der zwölfte Monat nach dem Monat der Geburt des Kindes in die Ehezeit fällt, gehört ein nach § 307d Abs. 1 Nr. 1 SGB VI gewährter Zuschlag zum Ehezeitanteil.[67] Dagegen ist der Umstand, dass die Erhöhung der bezogenen Rente später und innerhalb der Ehezeit mit dem Inkrafttreten des RV-Leistungsverbesserungsgesetzes erst am 1.7.2014 eingetreten ist, keine Frage des Erwerbs des Anrechts, sondern eine Frage der Verwirklichung dieser Anwartschaft. Die Mütterrente ist deswegen ggf. durch Abänderung einer früheren Entscheidung auch in den Altfällen zu berücksichtigen.

 

Rz. 79

Bei der Beamtenversorgung ist ein Anrecht auf Versorgung dann in der Ehezeit entstanden, wenn der Beamte in der Ehezeit eine Dienstzeit absolviert hat.[68]

 

Rz. 80

Bei betrieblichen Altersversorgungen kommt es darauf an, ob die Arbeitsleistung innerhalb der Ehezeit geleistet wurde oder nicht.[69] Zeitwertguthaben werden versorgungsausgleichsrechtlich nur dann berücksichtigt, wenn der Freistellungsphase bereits in der Ehezeit begonnen hat.[70]

[59] OLG Stuttgart NJW-Spezial 2015, 550.
[60] OLG München FamRZ 1980, 462.
[61] BGH FamRZ 1984, 569, 570; a.A. OLG Koblenz FamRZ 1990, 760, 761.
[62] BT-Drucks 16/10144, S. 45.
[63] PWW/Müller-Tegethoff/Reimers, § 3 VersAusglG Rn 3.
[64] BGH FamRZ 1996, 1538; FamRZ 2007, 1719.
[65] BGH NJW-RR 1993, 194; Ruland, Rn 180.
[66] BGH FamRZ 1987, 364; NK-BGB/Götsc...

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