Rz. 71

Vertritt der Anwalt eine aus mehreren Personen bestehende Erbengemeinschaft, so kann er seine Gebühren und Auslagen nach § 7 Abs. 1 Abs. 2 Satz 2 RVG nur einmal abrechnen. Er muss also einerseits eine Gesamtrechnung erstellen. Andererseits haften die einzelnen Auftraggeber nicht auf diese Gesamtsumme, schon gar nicht als Gesamtschuldner; sie haften vielmehr nach § 7 Abs. 2 S. 1 RVG nur insoweit, als sie haften würden, wenn sie für ihren Teil den Auftrag allein erteilt hätten. Es entsteht hier ein sogenanntes eigenartiges Gesamtschuldverhältnis.[85]

 

Beispiel

Der Anwalt vertritt eine Erbengemeinschaft aus zwei Auftraggebern in einem gegen sie gerichteten Rechtsstreit im Jahre 2019, in dem sie gesamtschuldnerisch in Anspruch genommen werden. Der Streitwert wird auf 30.000 EUR festgesetzt.[86]

Zunächst einmal ist die Gesamtvergütung zu berechnen, also die Vergütung, die der Anwalt nach § 7 Abs. 1, Abs. 2 S. 2 RVG insgesamt von beiden Auftraggebern verlangen kann.

Insoweit ist angefallen eine 1,3 Verfahrensgebühr (Nr. 3100 VV RVG), die sich gemäß Nr. 1008 VV RVG um 0,3 erhöht hat, da der anwaltlichen Tätigkeit derselbe Gegenstand zugrunde liegt. Abzurechnen ist also eine 1,6 Verfahrensgebühr.

Hinzu kommt eine 1,2 Terminsgebühr (Nr. 3104 VV RVG) nebst Auslagen und Umsatzsteuer.

Dies ergibt folgende Berechnung:

 
a) 1,6 Verfahrensgebühr, Nr. 3100, 1008 VV RVG (Wert: 30.000 EUR) 1.380,80 EUR
b) 1,2 Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG (Wert: 30.000 EUR) 1.035,60 EUR
c) Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR
Zwischensumme 2.436,40 EUR
d) 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG 462,92 EUR
Gesamt 2.899,32 EUR

Für diesen Betrag haftet aber weder der eine noch der andere Auftraggeber in vollem Umfang. Schon gar nicht haften beide vollständig als Gesamtschuldner, wie sich aus § 7 Abs. 2 S. 1 RVG ergibt.

Daher genügt eine solche Gesamtabrechnung auch nicht den Voraussetzungen des § 10 RVG, selbst wenn sie an beide Auftraggeber adressiert und verschickt wird. Jeder Auftraggeber kann eine auf ihn lautende Rechnung verlangen, die seine konkrete Vergütungsschuld ausweist. Jeder Auftraggeber hat ein Recht, aus der Rechnung ohne weiteres erkennen zu können, in welcher Höhe er persönlich haftet und wie sich die Vergütungsschuld ihm gegenüber berechnet.[87]

Der Anwalt muss deshalb nach § 7 Abs. 2 S. 1 RVG ermitteln, welche Vergütung ihm zugestanden hätte, wenn er nur den einen oder nur den anderen Auftraggeber vertreten hätte. Darüber ist Rechnung zu erteilen.

Wäre der Anwalt nur von einem der beiden Auftraggeber beauftragt worden, hätten sich dieselben Gebühren ergeben, allerdings nur aus dem Wert von 30.000 EUR. Der Anwalt hätte also gegenüber den beiden Auftraggebern nach § 7 Abs. 2 S. 1 RVG wie folgt abrechnen müssen:

I. Abrechnung gegenüber Auftraggeber A

 
a) 1,3 Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG (Wert: 30.000 EUR) 1.121,90 EUR
b) 1,2 Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG (Wert: 30.000 EUR) 1.035,60 EUR
c) Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR
Zwischensumme 2.177,50 EUR
d) 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG 413,73 EUR
Gesamt 2.591,23 EUR

II. Abrechnung gegenüber Auftraggeber B

 
a) 1,3 Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG (Wert: 30.000 EUR) 1.121,90 EUR
b) 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG (Wert: 30.000 EUR) 1.035,60 EUR
c) Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR
Zwischensumme 2.177,50 EUR
d) 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG 413,73 EUR
Gesamt 2.591,23 EUR

Als Zwischenergebnis ist festzuhalten, dass jeder der beiden Auftraggeber dem Anwalt auf 2.591,23 EUR haftet.

Jetzt ist allerdings noch zu berücksichtigen, dass der Anwalt natürlich nicht von beiden Auftraggebern die volle Summe vereinnahmen darf, da ihm ja insgesamt nur 2.899,32 EUR zustehen (§ 7 Abs. 2 S. 2 RVG). Würde also Auftraggeber A die auf ihn entfallende Rechnungssumme in Höhe von 2.591,23 EUR begleichen, dann dürfte der Anwalt von dem anderen Auftraggeber nur noch restliche (2.899,32 EUR – 2.591,23 EUR =) 308,09 EUR einfordern, um damit auf den geschuldeten Gesamtbetrag zu kommen. Die beiden Auftraggeber haften zum Teil gesamtschuldnerisch, so dass sich ihre Haftungen überschneiden und die Zahlung des einen insoweit auch zur Erfüllung der Schuld des anderen führt, § 422 Abs. 1 S. 1 BGB.

Sicherlich könnte der Anwalt zunächst einmal beide Rechnungen "in die Welt" setzen. Er müsste dann im Falle der Zahlung der einen Rechnung die andere teilweise stornieren und eventuell zu viel gezahlte Beträge wieder zurückzahlen. Dies alles ist sehr aufwändig. Auch der Hinweis in einem Anschreiben, dass beide Auftraggeber nicht mehr als die Gesamtsumme zu zahlen haben, ist wenig hilfreich, zumal dadurch in der Buchhaltung zunächst höhere Forderungen fakturiert würden, als tatsächlich bestehen. Zumindest eine der Rechnungen müsste also später wieder teilweise storniert werden.

Zweckmäßig ist es, zu berechnen, welchen Anteil jeder der Auftraggeber im Innenverhältnis zu tragen hat, und ihm nur diesen in Rechnung zu stellen, so dass die Gesamtsumme beider Rechnungsbeträge den Gesamt...

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