Rz. 30

Die Rechtsprechung des zweiten Senats des BAG unterscheidet im Hinblick auf die unternehmerische Endscheidung zwischen außer- und innerbetrieblichen Gründen.

Unter außerbetrieblichen Gründen werden solche verstanden, die nicht unmittelbar zum Wegfall von Arbeitsplätzen führen, sondern erst der innerbetrieblichen Umsetzung bedürfen.[41] Außerbetriebliche Gründe sind beispielsweise:

Auftragsmangel,
Absatzschwierigkeiten,
Auftragsverlust,
Umsatzrückgang.

Bei außerbetrieblichen Gründen muss der Arbeitgeber eine innerbetriebliche Umsetzung vornehmen, die in einer Betriebs- oder Produktionseinschränkung, Rationalisierungs- oder Umstrukturierungsmaßnahmen oder auch einer Stilllegung von Abteilungen des Betriebes liegen kann. Da die außerbetrieblichen Gründe allein keine Kündigung begründen können und sie der Umsetzung des Arbeitgebers bedürfen, ist dieser nach der Rechtsprechung des BAG unter dem Aspekt der Selbstbindung gehalten, in einem Kündigungsschutzverfahren genau darzulegen, wie viele Beschäftigungsmöglichkeiten durch den äußeren Umstand, wie z.B. Auftragsmangel, entfallen. Der Arbeitgeber hat somit die außerbetrieblichen Umstände und die dadurch notwendig gewordenen Arbeitsplatzabbau auch nachvollziehbar und zugleich zutreffend darzulegen. Dies bedeutet genauen Sachvortrag, der aber auch zu korrekten Zahlen des Abbaus der Beschäftigungsmöglichkeiten führen muss. Eine Fehlkalkulation in puncto Personalbedarf für die verbleibende und/oder umstrukturierte Arbeit führt auch zur Unwirksamkeit der Kündigung aufgrund außerbetrieblicher Gründe.

 

Rz. 31

Bei den innerbetrieblichen Gründen soll es diese zweistufige Prüfung nach der Rechtsprechung des BAG nicht geben müssen.[42] Eine Kündigung ist aus innerbetrieblichen Gründen gerechtfertigt, wenn sich der Arbeitgeber zu einer organisatorischen Maßnahme entschließt, bei deren innerbetrieblicher Umsetzung das Bedürfnis für die Weiterbeschäftigung eines oder mehrerer Arbeitnehmer entfällt.[43]

Innerbetriebliche Ursachen, gestaltendende Unternehmerentscheidungen, sind z.B. die Entscheidung des Arbeitgebers,

Arbeitsabläufe zu rationalisieren,
die Produktion einzuschränken,
Arbeitsbereiche zusammenzulegen oder ins Ausland zu verlagern
sowie Abteilungen stillzulegen.

Innerbetriebliche Gründe sollen nach der Rechtsprechung nicht sachlich hinterfragt werden können. Somit kommt es – anders als bei der Kündigung, die auf außerbetrieblichen Gründen beruht – auf die zeitlich und inhaltlich vorgelagerten Motive oder deren Wirtschaftlichkeit nach dem BAG nicht an. Der innerbetriebliche Kündigungsgrund gilt daher bei Arbeitgebervertretern als "einfacher" begründbar.[44]

 

Rz. 32

Auf Seiten der Arbeitnehmervertreter ist stets zu prüfen, ob und wann die vorgetragene Unternehmerentscheidung wirklich getroffen wurde und auch entsprechend umgesetzt wird. Hier ist insbesondere darauf zu achten, ob die Beschäftigungsmöglichkeit wirklich wegfällt oder es sich nur um eine Umwandlung von Arbeitsverhältnissen in freie Mitarbeiterverhältnisse handelt oder möglicherweise ein Betriebsübergang geplant und in Vorbereitung ist.

 

Rz. 33

Jedoch darf auch bei der gestaltenden Unternehmerentscheidung nur so viel Personal abgebaut werden, als es für den vom Arbeitgeber angegebenen Zweck erforderlich ist. Läuft die unternehmerische Entscheidung z.B. auf den Abbau einer Hierarchieebene oder Streichung eines einzelnen Arbeitsplatzes hinaus verbunden mit einer Umverteilung der dem betroffenen Arbeitnehmer bisher zugewiesenen Aufgaben, muss der Arbeitgeber konkret erläutern, in welchem Umfang und aufgrund welcher Maßnahmen die bisher vom gekündigten Arbeitnehmer ausgeübten Tätigkeiten für diesen zukünftig entfallen. Der Arbeitgeber muss weiter – im Rahmen einer abgestuften Darlegungslast – die Auswirkungen seiner unternehmerischen Vorgaben und Planungen auf das erwartete Arbeitsvolumen anhand einer schlüssigen Prognose im Einzelnen darstellen und angeben, wie die anfallenden Arbeiten vom verbliebenen Personal ohne überobligationsmäßige Leistungen erledigt werden können.[45]

 

Rz. 34

Somit muss der Arbeitgeber sowohl bei außerbetrieblichen als auch bei innerbetrieblichen Ursachen für den Kündigungsentschluss die Auswirkungen seiner unternehmerischen Vorgaben auf die zukünftige Arbeitsmenge anhand einer schlüssigen Prognose darstellen und angeben, wie die anfallenden Arbeiten vom verbliebenen Personal ohne überobligationsmäßige Leistungen erledigt werden können.[46]

 

Rz. 35

 

Hinweis

Der Arbeitgeber, der sich zur Rechtfertigung der ordentlichen Kündigung auf einen Rückgang des Beschäftigungsvolumens infolge eines verringerten Auftragsbestands beruft, muss darlegen, dass nicht nur eine kurzfristige Abwärtsbewegung bzw. kurzfristige Produktions- oder Auftragsschwankungen vorliegen, sondern eine dauerhafte Auftragseinbuße oder ein zukünftig auf Dauer reduziertes Arbeitsvolumen.[47] Hier kann mithilfe der Kenntnisse des gekündigten Arbeitnehmer, seiner Kollegen oder dem Betriebsrat eruiert werden, ob der in...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge