Rz. 146

Im Unterschied zur Berücksichtigung anderweitiger Beschäftigungsmöglichkeiten, die nach § 1 Abs. 2 KSchG unternehmensbezogen ausgestaltet ist, enthält die Regelung zur sozialen Auswahl eine entsprechende Regelung nicht. Daher ist sie betriebsbezogen vorzunehmen (vgl. zum Betriebsbegriff unter § 2 Rdn 150 ff.).[239]

Andere Betriebe des Unternehmens oder des Konzerns sind nicht in die Auswahl einzubeziehen. Jedoch umfasst die soziale Auswahl alle Abteilungen und Teile des Betriebes.[240]

 

Rz. 147

Nach der Rechtsprechung des 2. und 6. Senats des BAG ist auch in dem Fall, in dem der Arbeitgeber sich arbeitsvertraglich ein betriebsübergreifendes Direktionsrecht vorbehalten hat, die Sozialauswahl nur betriebsbezogen durchzuführen.[241] Zutreffend wird bereits in der Literatur in Anbetracht der Ausbreitung von internationalen Matrixstrukturen die Frage gestellt, ob der Betriebsbegriff in diesem Verständnis noch ausreichenden Arbeitnehmerschutz gewährt.[242]

 

Rz. 148

Bilden mehrere Unternehmen einen gemeinschaftlichen Betrieb, so ist die Sozialauswahl bis zu einer etwaigen Auflösung dieses Gemeinschaftsbetriebs auf den gesamten Betrieb zu erstrecken.[243] Besteht im Zeitpunkt der Kündigung die gemeinsame Leitung noch, aber es steht bereits fest, dass der Gemeinschaftsbetrieb spätestens mit Ablauf der Kündigungsfrist, z.B. wegen Stilllegung des eines Betriebes, nicht mehr besteht, so soll sich nach der Rechtsprechung die Sozialauswahl nur auf den einzelnen Betrieb beziehen, der dem Unternehmen verbleibt.[244]

 

Rz. 149

Bei einem Betriebsteilübergang werden nur diejenigen Arbeitnehmer dem betreffenden Betriebsteil zugeordnet, die in diesen Betriebsteil organisatorisch eingegliedert waren. Eine Tätigkeit, die diesem zu Gute kommt, reicht für die Zuordnung nicht aus.[245] Die Vergleichbarkeit des Arbeitnehmers verbleibt somit bei den Mitarbeitern des Veräußerers des Betriebsteils.[246]

 

Rz. 150

Im Fall einer Spaltung (oder Teilübertragung) nach § 123 ff. (bzw. 174 ff.) UmwG findet eine soziale Auswahl zwischen Arbeitnehmern des abgespaltenen Unternehmens und des Ursprungbetriebs statt, wenn die Unternehmen nach der Spaltung weiter einen gemeinsamen Betrieb führen (§ 322 UmwG)

Streitig ist, ob in eine Sozialauswahl auch bei einer Abspaltung oder Teilübertragung – ohne dass ein gemeinsamer Betrieb geführt bzw. fortgeführt wird – die vergleichbaren Arbeitnehmer aus dem abgespaltenen oder übertragenen Betriebsteil unternehmensübergreifend die Sozialauswahl einzubeziehen sind. Gemäß § 323 UmwG verschlechtert sich aufgrund der Spaltung oder Teilübertragung die kündigungsrechtliche Stellung eines Arbeitnehmers für die Dauer von zwei Jahren ab dem Zeitpunkt ihres Wirksamwerdens nicht. Danach ist die Sozialauswahl, um dem in § 323 Abs. 1 UmwG formulierten Schutzzweck gerecht zu werden, fiktiv auch dann unternehmens- und betriebsübergreifend durchzuführen, wenn die vor der Umwandlung bestehenden Rechtsträger nach der Umwandlung nicht mehr einen gemeinsamen Betrieb bilden.[247]

Bei Kündigungen im Zusammenhang mit einem Betriebsübergang ist danach zu unterscheiden, von wem diese ausgesprochen wurden.

 

Rz. 151

Spricht der Betriebsveräußerer zeitlich vor dem Betriebsübergang aufgrund einer eigenen Unternehmerentscheidung Kündigungen aus, die nicht gegen § 613a Abs. 4 BGB verstoßen, so sind die vergleichbaren Arbeitnehmer des übergehenden Betriebs in die Sozialauswahl einzubeziehen.[248] Kündigt der Betriebsveräußerer zeitlich vor dem Betriebsübergang und setzt dabei ein unternehmerisches Konzept des Erwerbers um, sind ­ausnahmsweise alle Arbeitnehmer des künftig vereinten Betriebs in die Sozialauswahl einzubeziehen.[249]

Kündigt der Betriebserwerber, nachdem er nach dem Betriebsübergang den erworbenen Betrieb in einen seiner Betriebe eingegliedert hat, so sind alle bisherigen und übernommenen Arbeitnehmer des auf diese Weise entstandenen neuen Betriebs in die Sozialauswahl einzubeziehen.[250] Anders ist es, wenn der übernommene Betrieb oder Betriebsteil nicht eingegliedert oder als selbstständiger Betrieb weitergeführt wird.

 

Rz. 152

Widerspricht ein Arbeitnehmer einem Teilbetriebsübergang gemäß § 613a Abs. 4 BGB, wird der Arbeitgeber/Veräußerer bei mangelndem Beschäftigungsbedarf eine betriebsbedingte Kündigung aussprechen. In einem solchen Fall hat er die Sozialauswahl unter den im Restbetrieb verbliebenen Arbeitnehmern vorzunehmen, auch wenn diese von dem Betriebsübergang nicht betroffen sind. Auch die dem Betriebsübergang widersprechenden Arbeitnehmer können sich auf eine mangelhafte Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG berufen, ohne dass es darauf ankommt, ob ihrem Widerspruchsrecht anerkennenswerte Gründe zugrunde lagen.[251] Durch diese obige Rechtsprechung des BAG ist eine umfangreiche Diskussion beendet worden. Zum Teil wird entgegen der Rechtsprechung des BAG und unter Hervorhebung der Tatsache, dass ein Arbeitnehmer, der von dem Betriebsübergang gar nicht betroffen war, nun aufgrund der Sozialauswahl "geopfert" würde, eine Einschrän...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge